Von Richard Smoley, gefunden auf newdownmagazine.com; über setzt von Taygeta

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Vor nicht allzu langer Zeit ging ich durch die Gänge einer New-Age-Messe in einem Vorort von Chicago. Alle üblichen Verdächtigen waren da: Stände für Baha’i und Eckankar; Damen, die Essenzen und Düfte verkaufen; Bodyworker, die zehn Minuten Stuhlmassage anbieten; Hellseher, die die ätherischen Felder ihrer Klienten untersuchen. Wie die meisten New-Age-Veranstaltungen, die ich in den letzten zehn Jahren besucht habe, hatte die Messe ein ermüdendes Format.

Es könnte sein, dass ich einfach abgestumpft bin. Ich gehe nun schon seit über dreissig Jahren zu solchen Veranstaltungen, und mittlerweile beeindrucken sie mich kaum mehr mit Neuheiten. Möglicherweise ich bin nicht allein. Man hat das Gefühl, dass für viele die Energie, die das New Age hervorgebracht hat, verebbt ist.

Auch der Begriff „New Age“ klingt abgedroschen und erinnert an die 80er Jahre und die Harmonische Konvergenz, und noch weiter zurück an die Spiritualität der Gegenkultur der 60er Jahre. Kommerzielle Anbieter haben sich von diesem Namen zurückgezogen und bevorzugen den Begriff  „Körper – Seele – Geist“ oder „KSG“.

War das New Age eine Modeerscheinung? War es eine edle, aber fehlgeleitete Hoffnung, dass die Welt zu einer Erleuchtung bereit war, der sie heute gleichgültig oder feindlich gegenübersteht? Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlicher ist, dass dies der Fall ist: Vieles von der Pionierarbeit, die vom New Age geleistet wurde, wie Yoga, Meditation und Bio-Lebensmittel usw., ist zum Mainstream geworden. So könnte man sagen, dass das New Age in vielerlei Hinsicht gewonnen hat – aber auf Kosten der Dynamik.

Und was ist aus den Ideen des New Age geworden?
Auch von ihnen sind viele in den Mainstream eingeflossen und sogar zu Klischees geworden. Es kann nützlich sein, sich einige der Klischees des New Age anzusehen und zu untersuchen, wie gut sie heute dastehen.

Das neue Zeitalter

Beginnen wir mit der Bezeichnung „New Age“. Dieser  reicht weit vor die 60er Jahre zurück, sogar vor die Jahrhundertwende. Sie wurde erstmals 1864 verwendet, als ein amerikanischer Geistlicher, Warren Felt Evans, ein Buch mit dem Titel „The New Age and Its Messeger“  veröffentlichte [„Das neue Zeitalter und sein Botschafter“].

Evans stellte die Ideen des grossen schwedischen Visionärs Emanuel Swedenborg (1688-1772) vor. In den 1740er Jahren erfuhr Swedenborg eine Reihe von spirituellen Erweckungen, die, wie er sagte, ihm Zugang zu den unsichtbaren Ebenen und zu den verborgenen Bedeutungen der Schrift gaben. Eine seiner bemerkenswertesten Behauptungen war, dass das Jüngste Gericht der Bibel keine Ähnlichkeit mit der Art und Weise hatte, wie es vom konventionellen Christentum interpretiert wurde. Es gäbe kein Zweites Kommen Christi auf Erden. Sie fände ganz ’in der Welt der Geister’ statt, einem Reich, das in der Theologie von Swedenborg einen mittleren Platz zwischen Himmel und Hölle einnimmt und als ’Haus der Reinigung’ für die neu Verstorbenen dient. In diesem Geisterreich hatte sich eine Menge Unrat angesammelt, wie z.B. niedere und gemeine Wesenheiten, so dass eine Hausreinigung erforderlich war. „Der Herr vollbrachte dies im Jahre 1757“.

Dieses Weltgericht hatte laut Swedenborg keine unmittelbaren Folgen für das Leben auf der Erde. Ihr einziger Effekt sei gewesen, die Macht der geistlichen Tyrannei und Unterdrückung (vor allem seitens der katholischen Kirche, aber auch unter den Protestanten) zu schwächen. Und damit würden sich Neue Horizonte in der geistigen Welt öffnen. Dies war das neue Zeitalter, das Evans verkündete, und Swedenborg war sein Bote.

Auf seine Weise hatte Swedenborg Recht. Viele der religiösen Fesseln, die im achtzehnten Jahrhundert intakt schienen, wurden gebrochen. Es gibt zwar immer noch sehr viel Unsinn, Täuschung und Verbrechen in der Religion, aber es gibt auch viel mehr Freiheit beim Stellen von Fragen – und sogar die Freiheit, (der Kirche) nicht zu glauben, wenn man nicht will.

Seit dem 19. Jahrhundert ist Swedenborg weitgehend in Vergessenheit geraten, und auch Evans, einst ein Bestsellerautor, verschwand fast völlig aus der Erinnerung. Aber der Begriff  „New Age“ wurde im 20. Jahrhundert von Autoren wie der britischen Esoterikerin Alice Bailey neu belebt, und, wie wir gesehen haben, erreichte das New Age als neues Ideal seinen eigenen Höhepunkt im späten 20. Jahrhundert.

Um nun auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Wie viel Wahrheit steckt in der Vorstellung von einem neuen Zeitalter?

Im trivialen Sinne ist jedes Zeitalter ein neues Zeitalter. Heute sind wir mit beispiellosen Gefahren und Chancen konfrontiert. Genauso wie unsere Väter, und auch unsere Grossväter. Genau wie unsere Kinder und Enkelkinder es sein werden. So ist es seit Beginn der Geschichte.

Ich glaube nicht, dass sich die menschliche Situation in einem radikalen Sinn in der Zukunft ändern wird. Welche Wunder und Katastrophen wir auch immer hervorrufen mögen, wir werden immer noch geboren werden, lieben, Freude und Schmerz erfahren und sterben wie die Menschen seit Anbeginn der Zeit. Wie Anton Tschechow in seinem Stück Drei Schwestern 1900 schrieb: „Wenn wir tot sind, wird man in Ballons herumfliegen, wird es einen neuen Stil in Männerjacken geben und ein sechster Sinn kann entdeckt und entwickelt werden, aber das Leben selbst wird sich nicht ändern, es wird immer noch so schwierig und voller Geheimnis und Glück sein, wie es jetzt ist“.

Paradigmenwechsel

Dieser Ausdruck ist oft mit der Idee des Neuen Zeitalters verbunden worden. „Paradigma“ bedeutet Erklärungsmodell, oft im Sinne von Weltanschauung verwendet. Der ptolemäische Blick auf das Sonnensystem, der die Erde in den Mittelpunkt stellt, war ein solches Paradigma. Es wurde durch ein anderes ersetzt: das kopernikanische Paradigma, das die Sonne in den Mittelpunkt stellt.

Wie hat die neue Ansicht die alte ersetzt? Diese Frage stellte der Wissenschaftshistoriker Thomas Kuhn in seinem einflussreichen Buch „Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen“. Seine Antwort lautete etwa so: Ein wissenschaftliches Modell hat unweigerlich einige Mängel. Es erklärt die vorhandenen Daten, aber nie ganz perfekt. Es gibt Anomalien. Diese werden lange Zeit beiseite gelegt und entweder wegdiskutiert oder einfach ignoriert. Aber ab einem gewissen Punkt sammeln sich zu viele Anomalien an und können nicht mehr beiseite gelegt werden. Die Wissenschaft muss dann ein anderes Modell finden – ein neues Paradigma.

Im Falle der Astronomie erklärte die ptolemäische Ansicht die Bewegungen der Planeten recht gut im Lichte der Beobachtungen, die zu dieser Zeit (bis zum 16. Jahrhundert) gemacht werden konnten. Dazu gehörte sogar die rückläufige Bewegung der Planeten. Wenn sich die Planeten um die Erde bewegten, warum bewegten sie sich dann manchmal rückwärts am Himmel (im Vergleich zum Sternhintergrund)? Die ptolemäische Theorie erklärte dies, indem sie Epizyklen postulierte – was bedeutet, dass sich die Planeten nicht nur um die Erde drehten, sondern sich auch in eigenen kleinen zyklischen Kreisen bewegen.

Schliesslich begann die Epizyklentheorie, die nicht immer ganz mit den Daten in Übereinstimmung gebracht werden konnte, zusammenzubrechen. Die Astronomen reagierten, indem sie Epizyklen in Epizyklen postulierten, aber es gab einen Punkt, an dem dieses Modell zu unplausibel wurde. Ein anderes Modell musste gefunden werden. Die Theorie des Kopernikus, modifiziert von Kepler, erklärt die Bewegung der Planeten viel besser. Dies war eine wissenschaftliche Revolution, ein berühmter Paradigmenwechsel.

Der Paradigmenwechsel, von dem das New Age spricht, ist vager. Bis zu einem gewissen Grad hat es mit einer weiteren wissenschaftlichen Revolution zu tun – jener weg von der Newton’schen zur Quanten-Physik. Die Newton’sche Physik ist mechanistisch und materialistisch: Sie ist ein Universum bestehend aus miteinander agierenden „Billardkugeln“. Das Quantenuniversum ist viel seltsamer, und viele der brillantesten Theoretiker haben betont, wie bizarr und kontraintuitiv es ist. Aber eine Idee aus der Quantentheorie hat in der öffentlichen Auffassung Fuss gefasst: Der Betrachter beeinflusst die Ergebnisse eines Experiments einfach durch den Prozess der Beobachtung. Diese Theorie scheint das Bewusstsein und nicht die Materie  in den Mittelpunkt des Universums zu stellen.

Diese Idee fasziniert die Menschen, die das bedeutungslose, materialistische Newton’sche Universum nicht mögen. Einige Physiker, wie Amit Goswami, Autor von „The Visionary Window“ und anderen Werken [z.B. in deutsch „Das bewusste Universum. Wie Bewusstsein die materielle Welt erschafft“] sagen, dass die Quantentheorie beweist, dass das Bewusstsein die Grundlage allen Seins ist. Dies ist ein Schritt, zu dem viele andere Wissenschaftler nicht bereit sind, vor allem weil die Quantentheorie Aussagen macht über das Verhalten submolekularer Teilchen; sie sind sehr zurückhaltend anzunehmen, dass Quanteneffekte auch in makroskopischen Bereichen auftreten. Die Quantenphysik wird manchmal als „die Wissenschaft vom Kleinen“ definiert.

Was bedeutet das alles? Die quantenphysikalischen Aussagen erfordern sicherlich ein neues wissenschaftliches Paradigma (wobei es gut ist, sich daran zu erinnern, dass ein Grossteil der Quantentheorie schon 1930 existierte und damit fast hundert Jahre alt ist). Aber dieses neue Paradigma, wie es von den Physikern selbst verstanden und angewendet wird, beweist nicht, dass das Bewusstsein die Grundlage aller Existenz ist. Sie führt auch nicht zu einer ganzheitlicheren und befriedigenderen Sicht auf das Universum. Tatsächlich geht der gegenwärtige Trend in die entgegengesetzte Richtung.

Nur eine Generation zurück gab es viel Aufregung – zumindest in breiten Kreisen – über die Zusammenhänge zwischen Quantenphysik und Mystik. Aber die Mehrheit der Wissenschaftler, zu Recht oder zu Unrecht, hat dies nie akzeptiert. Sie bleiben in ihrer Sichtweise stur materialistisch.

Auch in anderen Disziplinen fand eine Rückwärtsbewegung statt. Die Psychologie der 60er und 70er Jahre umfasste humanistische und transpersonale Perspektiven, aber allem Anschein nach wurde nun dieser Prozess umgekehrt. Die Neurowissenschaften hatten so viel Glück bei der Erreichung von Verhaltensänderung durch Medikamente, dass die Wissenschaftler heute mehr oder weniger allgemein davon ausgehen, dass das Bewusstsein nur ein Nebeneffekt von Hirnzuständen ist. (Obwohl diese Behauptung nie bewiesen oder gar kohärent erklärt wurde.) Die Informatik ihrerseits hat solche Fortschritte bei der Simulation von Gehirnprozessen gemacht, dass einige Leute jetzt glauben, dass es bald möglich sein werde, dein Bewusstsein in einen Computer hinunterzuladen, so dass kognitive Prozesse durch den Betrieb einer Maschine statt eines Gehirns weitergehen könnten. Du wirst die anderen Teile des Körper nicht mehr brauchen, um du zu sein. Köpfe sind Maschinen, egal ob sie aus kohlenstoffhaltigem Protein oder Silizium bestehen.

Kurz gesagt, das Paradigma, das so sehnlichst erwartet wurde, um eine neue, befriedigende und ganzheitliche Sicht auf die Stellung des Menschen im Universum zu zeigen, ist nicht angekommen. Die konventionelle Wissenschaft ist bei all ihren Errungenschaften so trostlos materialistisch wie zu Zeiten von Königin Victoria.

Das heisst aber nicht, dass es keine Veränderung geben wird. Trends kehren sich ohne Vorwarnung um, und Moden in der Wissenschaft kommen und gehen fast so willkürlich wie die in der Couture. Aber so sieht es zur Zeit aus.

Du erschaffst deine eigene Realität

In einem trivialen Sinne ist diese Aussage sicherlich wahr. Deine Sinne und Nerven und dein Gehirn filtern die Daten aus der Aussenwelt (was auch immer diese „Aussenwelt“ letztendlich ist) und erzeugen (in dir) ein Bild der Realität, das es dir erlaubt zu funktionieren.

Doch gehen einige „New Ager“ viel weiter. Sie sagen, dass alles, was du tun musst, ist dein Denken zu ändern, und damit wird sich dann auch automatisch die Welt ändern.

Auch das stimmt bis zu einem gewissen Grad. Sagen wir, du hast Geldprobleme. Versuche dieses mentale Experiment. Glaube, so intensiv wie möglich, dass dir nächste Woche ein Scheck über eine Million Dollar überreicht wird. Plötzlich werden allein dadurch deine Probleme verschwinden und du wirst keine Sorgen verspüren.

Dein Denken verändert sicherlich deine Gefühle. Aber die Behauptung, dass du deine eigene Realität erschaffst, umfasst etwas mehr als das. Es heisst, wenn du fest genug daran glaubst, dass dieser Scheck kommen wird, wird er kommen: Das Universum wird ihn für dich manifestieren. Und diese Idee ist doch schwerer zu schlucken. Im besten Fall kann es dich motivieren, mehr Geld in dein Leben zu bringen; im schlimmsten Fall ist es nichts anderes als Tagträumen.

Manche Menschen praktizieren kreative Visualisierung. Mit dieser Methode erzeugen sie ein lebendiges mentales Bild und konzentrieren sich darauf, so dass die Energie, die sie damit lenken, es in der physischen Welt erscheinen lässt. Dies kann und wird manchmal auch funktionieren. Aber es bringt sehr oft unerwünschte Folgen mit sich. So könnte es sein, dass du dir einen Scheck über eine Million Dollar visualisierst, und der Scheck könnte tatsächlich erscheinen. Aber du hast nicht damit gerechnet, dass der Scheck kommt als Entschädigung der Versicherung dafür, dass du nie wieder laufen kannst, weil du zuvor in einen eine Lähmung verursachenden Unfall geraten bist. Zugegeben, das ist ein krasses Beispiel. Ein anderes wahrscheinlicheres Resultat könnte sein, dass du plötzlich findest, dass du das gar nicht wirklich wünschst, worum du gebeten hast und enttäuscht warst, als du es erhieltest.

Vor ein paar Wochen öffnete sich plötzlich eine Datei auf meinem Computer, ohne dass ich einen Grund dafür feststellen konnte. Darin stand: „Bitte, Gott, beschütze mich vor allem, wofür ich gebetet habe.“ Ich schrieb diesen Satz vor einigen Jahren auf und hatte ihn völlig vergessen. Offensichtlich musste ich ihn aber noch einmal lesen.

Noch eine weitere Sache wird oft übersehen: Du bist nicht der Einzige, der seine eigene Realität erschafft. Es gibt andere wie dich. Alle haben die gleiche Macht über die Realität wie du. Und du bist auch Teil ihrer Realität.

Diese Tatsache wirft eine grosse, aber ungeprüfte Überlegung auf: Wenn wir unsere eigene Realität erschaffen, muss sie auch eine kollektive Schöpfung sein. Und was bewirkt das gemeinsame Schaffen, das Co-Kreieren all dieser Köpfe? Wie beeinflussen dich die Gedanken deiner Nachbarn, deiner Landsleute, deiner Mitmenschen als Ganzes? Wie erzeugen die Köpfe vieler Menschen eine kollektive Realität?

Das ist, glaube ich, eine der wichtigsten Fragen, vor denen die Menschheit heute steht. Es gibt eine kollektive Imagination – der Psychologe Charles Tart nannte sie „Konsens-Trance“ –, die unsere Realität ebenso, und wahrscheinlich mehr prägt als es unsere eigenen privaten Gedanken zun.

Soweit ich sehen kann, hat sich die Psychologie nicht mit dieser Frage beschäftigt oder sie gar erkannt. Es stimmt, dass der Psychiater C.G. Jung vom kollektiven Unbewussten sprach. In einigen seiner Artikel berührte er kollektive Mentalitäten wie „Wotan“, in dem er das Wiederaufleben eines alten germanischen Archetyps in der Nazi-Ideologie diskutierte, und „The Complications of American Psychology“, das die amerikanische Psyche mit der Natur des Landes in Verbindung brachte, in dem sie sich befand. Aus einem anderen Blickwinkel hat der russische Psychologe V.M. Bechterew in seinem Buch Collective Reflexology das Massen- und Mobverhalten untersucht. Bechterew, der die Russische Revolution aus erster Hand sah, hatte viele Beobachtungen gemacht, mit denen er arbeiten konnte. Dennoch ist die Wissenschaft der kollektiven Psychologie embryonal geblieben. [Obwohl sie von den Massenmedien und Geheim(dienst)organisationen zum Teil sehr gezielt angewendet wird. Anm.d.Ü.]

Bis zu einem gewissen Punkt ist es also wahr, dass du deine eigene Realität erschaffst. Aber alle anderen auch, und du bist auch Teil dieser Realität. Die Frage für das 21. Jahrhundert ist, wie wir unsere gemeinsame Realität erschaffen.

Im Hier und Jetzt sein

Wenden wir uns einem der berühmtesten Artefakte des New Age zu, einem quadratischen, grossformatigen Taschenbuch mit violettem Einband, dessen Text auf grobem braunem Papier gedruckt ist, das wie Verpackungsmaterial aussieht. Sein Titel: Sei jetzt hier. Sein Schöpfer: der geschätzte amerikanische Guru Richard Alpert, bekannt als Ram Dass. Die Worte, die scheinbar unbeholfen mit einer Druckpresse aufs Papier gebracht wurden, um die visuellen Verzerrungen durch LSD zu simulieren, drängen zum Erwachen:

Was tust du?
Die Zukunft planen?
Nun ja
Es ist ok jetzt.
Aber später…. Vergiss es, Baby.
Das ist später
Jetzt ist
JETZT
Wirst du HIER SEIN oder nicht?
SO EINFACH IST DAS! …

Wenn du so effizient wirst …
Wenn du alle Schwingungen der Szene ausschaltest …
weil du so beschäftigt bist
mit der Zukunft
oder Vergangenheit
oder die Zeit dich eingefangen hat …
DAS KOSTET ZU VIEL!

Keine Botschaft aus dem New Age hat sich so tief in den kollektiven Verstand eingebrannt wie dieser Befehl: Sei jetzt hier. Die Vergangenheit ist ein künstliches Konstrukt. Die Zukunft ist ebenso ein künstliches Konstrukt. Es gibt nur den gegenwärtigen Moment. Es gibt immer nur den gegenwärtigen Moment. Das ist der Weg zur Befreiung.

Die Idee klingt immer noch nach. Gerade als die Wirkung nachliess, kam Eckhart Tolle mit einem ‚Auffrischungs-Schuss’ heraus: dem 2004 erschienenen Bestseller Jetzt! Die Kraft der Gegenwart.

Niemand kann diesen Gedanken anfechten. Es ist immer Jetzt, und wie es scheint, bringen uns die atomistischen Momente, die durch meditative Wahrnehmung gefühlt werden – eine endlose Kette von ‚Jetzten’, und jedes Jetzt unerbittlich auf seine Vorgänger aufgebaut –, der ultimativen Realität so nahe, wie wir wahrscheinlich in dieser Welt kommen können.

Als geistige Disziplin kann das, was manchmal „die Lehre der Gegenwart“ genannt wird, mit nichts verglichen werden: In jedem Augenblick – oder besser gesagt, in jedem Augenblick den du dir bewusst bist – bringst du deine Aufmerksamkeit auf die Gegenwart; du spürst deine Füsse auf dem Boden und spürst, wie der Atem ein und aus geht. Die Bezüge zu den weltlichen Dingen in deinem Geist lassen nach. Du bist zentriert und in Frieden.

Wie könnte das jemand in Frage stellen?
Ich konnte es in der Essenz nicht. Aber in der Praxis kommt eine andere Sichtweise auf.

Da ist das Gefühl meiner Füsse auf dem Boden. Das ist direkt, unmittelbar, real. Andererseits sind da die Gedanken und Phantasien und Tagträume in meinem Kopf die wie die Szenen eines Thrillers, die vor meinen hypnotisierten Augen ablaufen. Und die scheinen, im Gegensatz zum Gefühl in meinen Füssen, unwirklich.

Aber vielleicht ist das nicht das ganze Bild.
Erlebe ich nicht auch in der Gegenwart, im Jetzt, all diese vermeintlich trügerischen Gedanken? Warum sollte die eine Erfahrung als real und echt gelten, während die andere als falsch verachtet wird?

Jemand, der zu einigen der unzähligen Vorträge der tibetischen Lamas im Westen geht, wird diese manchmal den begrifflichen Verstand verunglimpfen hören – dem „Affenverstand“, der unterdrückt oder sogar getötet werden muss, wenn Erleuchtung stattfinden soll. Aber ich habe einmal den Dalai Lama sprechen hören, und er hat diesen Standpunkt kritisiert. Obwohl ich mich nicht an seine genauen Worte erinnere, erinnere ich mich, dass er sagte, dass diese Verachtung des begrifflichen Verstands ungerechtfertigt sei, dass auch dieser Teil des Verstandes seinen Platz habe, und man nicht versuchen soll, ihn zu entwurzeln oder zu töten.

Und manchmal wird dich dieser begriffliche Verstand aus der Gegenwart holen.

Die Gegenwart, dieser magische Moment, der Gott offenbart, ist also nur eine von unzähligen Arten von Erfahrungen. Es ist natürlich gut, ihn zu erkennen und sich darin auszuruhen. Aber es mag nicht klug sein, und es scheint sicher unmöglich, die ganze Zeit dort zu verbleiben.

R.H. Blyth schreibt in seiner berühmten Sammlung von Essays Zen und Zen Classics: „Wo der Buddhismus seinen grossen Fehler macht, ist, nach einer Ewigkeit ohne Zeit zu suchen.“ Und wie Blake sagte: „Die Ewigkeit ist verliebt in die Produktionen der Zeit.“

Friede

Frieden. Wenn es ein Wort gibt, das das New Age zusammenfasst, dann ist es dieses. Zu seiner Zeit war es mehr als ein Wort. Es gab eine Geste (die Finger bilden ein V, die Handfläche zeigt nach aussen), und es gab ein Ideogramm (der Kreis vertikal geteilt, mit zwei weiteren Linien, die sich von der Mitte nach unten erstrecken – eine Kombination aus zwei Buchstaben im Semaphor-Code, die für ND oder „nukleare Abrüstung“ stehen).

Aber ist Frieden nicht ein Klischee? Das mag ein hartes Urteil sein. Aber selbst wenn es eines ist, so wirst du sagen, wir brauchen wir mehr von solchen Klischees.

In den 60er Jahren war die Friedensbewegung das Ergebnis eines echten kollektiven Impulses. Es war nicht nur die lebhafte Erinnerung an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Es war auch ein Nachbeben der kubanischen Raketenkrise von 1962, als die Welt dem Atomkrieg am nächsten kam. In den USA war die Friedensbewegung auch eine Antwort auf den Vietnam-Konflikt und auf die reale Wahrscheinlichkeit, dass die Supermächte, wie die Staaten in Orwells 1984, offenbar einen permanenten Kriegszustand aufrecht erhalten möchten.

Die Ereignisse verliefen anders als erwartet, wie es immer der Fall ist. Die Bedrohungen des Weltfriedens, die während des Kalten Krieges so bedrohlich waren, schienen verschwunden. Aber sie wurden durch andere ersetzt, und wenn diese verschwunden sind, wird es nochmals andere geben.

Brauchen wir eine Friedensbewegung, um umzukehren? Ich glaube schon, aber ich glaube auch, dass wir nie eine echte Friedensbewegung hatten. Was wir hatten, waren Antikriegsbewegungen. Und gegen den Krieg zu sein, ist nicht dasselbe wie für den Frieden zu sein.

Früher in diesem Artikel sprach ich über die Möglichkeit, dass Gedanken eine Rolle spielen – eine grosse Rolle – bei der Gestaltung der Realität. Und ich denke, das so ist. Aber was sollen wir dann in diesem Licht von der heutigen Mentalität halten, die so viel Hass auf die Führer dieser Welt projiziert? Haben sie es verdient? Vielleicht – aber wir machen sie nicht besser und ihre Arbeit nicht einfacher, indem wir Hass und Beschimpfungen auf sie richten. Jedenfalls nicht, wenn der Gedanke, dass unsere Gedanken die Realität erschaffen, nur das kleinste Stück Wahrheit enthält. Und das gilt natürlich doppelt für alle kollektiven Hassgefühle.

In diesem Licht denke ich über die Möglichkeit eines Friedensmarsches nach – eines echten Friedensmarsches. Ein solches Ereignis würde nicht darauf abzielen, den letzten Krieg zu stoppen, sondern den Führern der Nationen, und allen Ideologien, Frieden und Segen anzubieten, ohne irgendeine Agenda. Das wäre ein echter Friedensmarsch, denn er würde eher Frieden als Widerstand, und Segen statt Klagen bieten. Ich frage mich, welchen Effekt das haben würde.

Ein Klischee könnte natürlich nie zu einem Klischee werden, wenn es nicht weit verbreitet wäre. Und es könnte sich nie weit verbreiten, wenn es nicht viel Wahrheit und sogar Weisheit in sich bergen würde. Und so ist es mit allen Klischees des New Age. Viele von ihnen haben ihre Wurzeln in uralten und sogar ewigen Wahrheiten. Dass diese Wahrheiten umgestaltet und in der Sprache einer bestimmten Zeit und eines bestimmten Ortes neu formuliert werden müssen, ist kaum ein Fehler; es ist einfach ein Weg, sie an die Bedürfnisse einer Generation anzupassen. Und sie werden auch in den kommenden Generationen in vielerlei Hinsicht angepasst und neu gestaltet werden.

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