Von Dylan Harper auf dreamcatcherreality.com; übersetzt von Taygeta
Dank der lichtvollen Arbeit von spiritscape können wir diesen Beitrag auch als Video anbieten! Dieses findet ihr am Ende des Beitrages!
Das Folgende ist ein Auszug aus dem Buch „Die Illusion des Ich: On the Taboo Against Knowing Who You Are“ von Alan Watts [dt. zum Beispiel hier oder als ebook zum Download hier], in welchem Alan Watts ein unglaubliches Wortspiel zu den ultimativen Fragen der Selbsterforschung untersucht.
Wenn Kinder mir solche grundlegenden metaphysischen Fragen stellen, die ihnen so leicht in den Sinn kommen, wie: „Wo kommt die Welt her?“ „Warum hat Gott die Welt erschaffen?“ „Wo war ich vor meiner Geburt?“ „Wohin gehen Menschen, wenn sie sterben?“, habe ich immer wieder festgestellt, dass sie mit einer einfachen und sehr alten Geschichte zufrieden zu sein scheinen, die in etwa so aussieht:
Es gab nie eine Zeit, in der die Welt begann, denn sie dreht sich wie ein Kreis, und es gibt keinen Punkt auf einem Kreis, wo er beginnt. Schaut auf meine Uhr, die die Zeit anzeigt; sie dreht sich und dreht sich immer weiter, und so wiederholt sich die Welt immer wieder.
Aber so wie der Stundenzeiger der Uhr von Zwölf zu Sechs und wieder zu Zwölf sich weiter dreht, so gibt es auch Tag und Nacht, Aufwachen und Schlafen, Leben und Sterben, Sommer und Winter. Ihr können keins davon ohne das andere haben, weil ihr nicht wissen könnt, was Schwarz ist, wenn ihr es nicht Seite an Seite mit Weiss gesehen hättet, oder Weiss, wenn ihr es nicht Seite an Seite mit Schwarz gesehen hättet.
Ebenso gibt es Zeiten, in denen die Welt ist, und Zeiten, in denen sie es nicht ist, denn wenn die Welt immerfort ohne Ausruhen weitergehen würde, würde sie schrecklich müde von sich selbst werden. Sie kommt und geht. Jetzt seht ihr sie, und jetzt nicht mehr. Weil sie also nicht müde wird von sich, kommt sie immer wieder zurück, nachdem sie vorher verschwunden war.
Es ist wie euer Atem: er geht rein und raus, rein und raus, und wenn ihr versuchen würdet, ihn die ganze Zeit über anzuhalten, würdet ihr euch bald furchtbar fühlen. So ist auch mit dem Versteckspiel: es macht immer Spass, neue Orte zum Verstecken zu finden; es macht aber keinen Spass, nach jemandem zu suchen, der sich nicht immer am selben Ort versteckt.
Auch Gott spielt gerne Verstecken, aber weil es ausserhalb Gottes nichts gibt, hat er niemanden ausser sich selbst zum Spielen. Aber er überwindet diese Schwierigkeit, indem er vorgibt, nicht er selbst zu sein. Das ist seine Art, sich vor sich selbst zu verstecken.
Er gibt vor, dass er du und ich und alle Menschen auf der Welt ist, alle Tiere, alle Pflanzen, alle Felsen und alle Sterne. Auf diese Weise hat er seltsame und wunderbare Abenteuer, von denen einige schrecklich und beängstigend sind. Aber das sind nur schlechte Träume, denn wenn er aufwacht, werden sie verschwinden.
Wenn Gott nun Verstecken spielt und so tut, als wäre er du und ich, dann tut er es so gut, dass er sich lange bemühen muss, sich daran erinnern, wo und wie er sich versteckt hat. Aber das ist auch der grosse Spass daran – genau das wollte er tun. Er will sich nicht zu schnell finden, denn das würde das Spiel verderben.
Deshalb ist es so schwierig für dich und mich, herauszufinden, dass wir Gott in Verkleidung sind und vorgeben, nicht er selbst zu sein. Aber wenn das Spiel lange genug gedauert hat, werden wir alle aufwachen, aufhören, so zu tun als seien wir verschieden, und uns daran erinnern, dass wir alle ein einziges Selbst sind – der Gott, der alles ist, der alles ist, was es gibt und der für immer und ewig lebt. Natürlich müsst ihr daran denken, dass Gott nicht menschlich gestaltet ist.
Wir Menschen haben eine Haut, und es gibt immer etwas ausserhalb unserer Haut. Wenn es nicht so wäre, würden wir den Unterschied zwischen dem, was sich innerhalb und ausserhalb unseres Körpers befindet, nicht kennen. Aber Gott hat keine Haut und keine Form, weil er keine Aussenseite hat.
Bei einem hinreichend intelligenten Kind illustriere ich dies mit einem Möbius-Streifen – mit einem zu einem Ring zusammengeklebten Papierband, bei dem das eine Ende vor dem Zusammenkleben einmal gedreht wurde. Dann hat das Band nur eine Seite und eine Kante!
Das Innere und das Äussere von Gott sind dasselbe. Und obwohl ich von Gott als ‚Er‘ und nicht als ‚Sie‘ gesprochen habe, ist Gott weder ein Mann noch eine Frau. Ich habe nicht „Es“ gesagt, weil wir normalerweise „Es“ für Dinge brauchen, die nicht lebendig sind. „Gott ist das Selbst der Welt. Aber du kannst Gott aus dem gleichen Grund nicht sehen, wie du ohne Spiegel deine eigenen Augen nicht sehen kannst, und du kannst auch deine eigenen Zähne nicht beissen oder in deinen Kopf hinein schauen. Dein Selbst ist so geschickt versteckt, weil es Gott versteckt.
Ihr fragt euch vielleicht, warum Gott sich manchmal in der Form eines schrecklichen Menschen versteckt oder vorgibt, ein Menschen zu sein, der unter grossen Krankheiten und Schmerzen leidet. Erstens ist es so, dass er das niemandem ausser sich selbst antut. Und dann denkt auch daran, dass es in fast allen Geschichten, die an denen ihr Freude habt, sowohl böse als auch gute Menschen geben muss, denn der Nervenkitzel der Geschichte besteht darin, herauszufinden, wie die guten Menschen das Böse überwinden können.
Es ist dasselbe wie beim Kartenspielen. Zu Beginn des Spiels mischen wir sie alle vollständig durcheinander, und das entspricht dann dem Chaos in der Welt. Der Sinn des Spiels ist es dann, das Durcheinander in eine Ordnung zu bringen, und derjenige, der es am besten macht, ist der Gewinner. Dann mischen wir die Karten noch einmal und spielen das Spiel nochmals, und so geht es mit der Welt.
Im Video ‚The Game of Hide and Seek‚, einem Ausschnitt aus einem Vortrag von Alan Watts, geht Alan Watts auf dasselbe Thema ein [englisch gesprochen; aber mit wunderschönen Bildern dazu].
Eine etwas kürzere Version davon mit deutschen Untertiteln kann man sich hier anschauen:
Wer sich weitere kurze Videos mit Ausschnitten aus Vorträgen von Alan Watts, die deutsche Untertitel haben, anschauen möchte, kann folgende Links anklicken.
www.youtube.com/watch?v=zUnNpm7NCnc
www.youtube.com/watch?v=mGKuQ3sFC4I
www.youtube.com/watch?v=_NXsXdGTquE
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Die Realität gibt es nur einmal; diese ist unveränderlich, ewig, sonst attributsfrei und leer. Der Mensch ist nicht fähig Realität wahrzunehmen. Ganz anders die Wirklichkeit. Diese ist illusionär, quasi unendlichfach vorhanden – sie unterscheiden sich durch ihre Eigenschaften und kommunizieren über Wechselwirkungen. Ihre verschieden komplexen Wirklichkeiten heissen Welt, Fantasie und Tatsächlichkeit. Die Materie (Tatsächlichkeit) ist eine Interferenz (Wechselwirkungsergebnis) zwischen einer hohen Menge an Welten, von der jedes Ego eine Welt für sich erzeugt.
Nichts (Leerheit) ist wahr (Realität) und alles (andere) ist illusionär (Wirklichkeit).
@Franz Janus
Ich danke Dir. Stimme mit Dir überein.
Ist es ein anfangloser Kreislauf von Erscheinen und Vergehen, Geburt und Tod, oder gibt es eine erste Ursache? Wir können nur erkennen dass alles von Bedingungen abhängt und in ständigem Wandel begriffen ist – das ist unsere Realität.
An einen ewigen Gott oder ein ewiges Selbst kann man glauben und ein Modell zur Welterklärung entwerfen. Das von Allen Watts überzeugt mich nicht – ein Gott der sich selbst große Leiden und alles Schreckliche antut. Es kann aber im Leid ein Trost sein, sich als Gott mit einem selbstgewählten Albtraum zu begreifen. Und den Sinn der Welt im Sieg des Guten über das Böse zu sehen.
Tatsache ist, dass das Dasein aus einem Körper besteht und aus einem Geist mit Denken, Fühlen, Wollen und Bewusstsein. Bewusstsein ist das, was über alles andere bewusst ist – über den Körper, die Gedanken, Gefühle und das Wollen. Die Welt erscheint über die fünf Sinne und den Geist im Bewusstsein, weshalb es im Grunde nur diese zwei gibt, Bewusstsein und sein Inhalt.
Wer oder was bin ich? Ein Knochen ist nur ein Knochen aber kein Ich, Haut, Haare, Organe bin ich nicht. Gedanke, Gefühl, Wille, da ist kein Ich in diesen Erscheinungen zu finden. Ich habe die Vorstellung diese organisierte Anhäufung von Körper/Geist zu sein, aber das ist eben nur eine Vorstellung. Da gebe ich Allen Watts recht, es ist wie ein Traum. Wegen der Identifikation mit dem ständig sich verändernden Körper/Geist entsteht abwechselnd Glück und Leid. Ich suche Glück und meide Leid, aber das Glück lässt sich nicht festhalten, sobald sich die Bedingungen verändern.
Vielleicht meint Allen Watts, dass man abwarten müsse bis Gott aus dem Traum erwache. Aber durch Analyse und tiefgründige Betrachtung der Dinge wie sie sind lässt sich ja zunächst erkennen, dass man sich im Traum, in Illusion oder Verblendung befindet. Auch was die Ursachen der Verblendung sind und wie sich die beseitigen lassen. Das scheint mir sicherer zu sein als sich auf die Launen eines Gottes zu verlassen.
Aber dieses Möbiusband ist noch viel, viel wundervoller als Ihr es oben beschreibt – es ist einfach unglaublich und mit „normalem“ Verstand nicht mehr zu begreifen – man kann sich immer weiter immer tiefer darin verlieren: „Andere interessante Effekte entstehen, wenn man auf dem Band eine Mittellinie oder zwei zur Mittellinie parallele Linien einzeichnet und das Band längs dieser Linie(n) aufschneidet, also es scheinbar halbiert oder drittelt. Im ersten Fall, also beim Durchschneiden entlang der Mittellinie, entsteht ein zweifach verdrillter (um 720° in sich verdrehter) Ring mit zwei Seiten und zwei Rändern. Im zweiten Fall entstehen zwei Objekte: Ein Möbiusband und ein zweifach verdrillter Ring, die ineinander hängen.“ Quelle: Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Möbiusband).