gefunden auf wakeupworld, geschrieben von Lissa Rankin, übersetzt von Afrosina
Über den Unterschied zwischen Ehrfurcht und Mysterium habe ich mir kaum Gedanken gemacht, bis ich begann, an dem sprichwörtlichen Küchentisch der Autorin von Weisheiten vom Küchentisch – Dr. Rachel Naomi Remen, herumzusitzen. Schon bald nachdem ich mich an jenen Tisch begeben hatte, begann es, dass Ehrfürchtiges und Mysteriöses zusammen mit einer Portion Wunderlichem im Menu auftauchten.
Ich weiss nicht, warum ich vor dem Treffen mit Rachel darüber noch nie nachdachte. Denn so wie sie, bin ich eine ausgebildete Ärztin. Ärztinnen und Ärzte sind gesegnet damit, in ehrfurchtsvollen und mysteriösen Angelegenheiten in der ersten Reihe zu stehen. Schon über 10 000 Mal war ich der 1. Mensch, der das neugeborene Baby sah, nachdem es aus der Mutter herausglitt. Mindestens 100-mal war ich der letzte Mensch, der jemanden sah, der auf die andere Seite des Schleiers hinüber wechselte. Unzählige Male tauchte Seltsames in einer Art auf, die ich mir nicht erklären konnte – wie würde ich etwas über einen Patienten wissen, den ich möglicherweise noch nie mit meinen fünf Sinnen erfasst habe und von dem ich keine Laborergebnisse habe. Und wirklich oft würde das, was ich weiss, ein Leben retten.
Warum hielt ich nicht inne, um das Ehrfürchtige zu bestaunen? Warum war ich nicht mehr verzaubert von dem Mysterium? War ich schon so ausgebrannt, überarbeitet und jenseits der Integrität gegenüber meiner eigenen inneren Wahrheit, dass ich das in Erscheinung tretende Gesicht einer Seele nicht bemerkte, die noch nicht vollständig in einem neuem Babykörper inkarniert war? Was liess mich das Wunder missachten, das das neue Leben immer begleitet oder den vollkommen friedlichen Tod, der eintritt, wenn jemand ein völlig erfülltes Leben in Liebe und ohne Bedauern gelebt hat?
Die Begegnung mit Rachel hat mein Leben in vielerlei Hinsicht verändert, aber dieses einfache Ding – die Fähigkeit zu erkennen, wann Ehrfürchtiges und Mysteriöses auftaucht – berührte mich tief und berührt mich noch immer in meinem Alltag.
Was ist Ehrfurcht?
Dictionary.com (Lexikon) definiert „Ehrfurcht“ als ein überwältigendes Gefühl der Ehrerbietung, der Bewunderung, der Furcht usw. entstanden durch etwas, das gross ist, unterschwellig und sehr mächtig oder ähnlichem. Ich mag das Wort „Ehrerbietung“, sofern es sich auf Ehrfurcht bezieht. Wenn ich Ehrfurcht habe, fühle ich diese Ehrerbietung in meinem Herzen. Es ist wie eine Kombination aus Hingabe, Dankbarkeit und absolutem Glücklichsein, als hätte ich irgendwie den Jackpot gewonnen ohne ihn zu verdienen. Ehrfurcht lässt mich an das Wort „Gnade“ denken, das eines meiner Lieblingsworte ist. Gnade ist unverdiente Segnung. Sie trifft mich immer mit Ehrfurcht und fühlt sich wie Gnade an.
Ehrfurcht ist eine Teil der Lebendigkeit und zwar nicht unerheblich. Sie ist ein Grundbedürfnis und ohne die wir unsere Lebenskraft schwächen. Wir müssen das Gefühl von Ehrfurcht fühlen, so wie wir auch Nahrung und Schutz brauchen. Während Nahrung und Schutz körperliche Bedürfnisse sind, ist Ehrfurcht ein Bedürfnis der Seele. Die Seele wird für uns in einem Moment der Ehrfurcht gegenwärtig und wenn wir einen Mangel an Ehrfurcht haben, dann tragen wir ein Risiko bis hin zu einer seelischen Erkrankung, die sich als körperliche Erkrankung zeigen kann, als Depression, Ängstlichkeit oder einfach in dem Gefühl etwas zu vermissen (weil es tatsächlich so ist). So wie euer Körper jeden Tag Übungen braucht, so braucht dies auch die Seele. Ehrfurcht gibt eurer Seele ein Training und erinnert euch, warum ihr hier seid und wie gesegnet ihr seid, ein Mensch zu sein.
Was ist ein Mysterium?
Ein Mysterium ist definiert als „etwas, das schwierig oder gar unmöglich zu verstehen oder zu erklären ist“. Ein Mysterium beinhaltet nicht nur die alltäglichen Geheimnisse und andere Dinge des Alltags, die die Wissenschaft uns versucht zu erklären und es nicht kann, sondern es gehören auch mystische, magische ,wunderliche Erfahrungen dazu, die der Verstand nicht ganz verstehen kann und die Wissenschaft nicht einmal versucht, diese Dinge zu berühren, wie z.B. Nahtoderfahrungen, psychische Phänomene, spirituelle Kräfte, die ihren Ausdruck finden in Meditation, Kommunikation mit Verstorbenen, in Träumen, die die Zukunft voraussagen und in Spontanheilungen von scheinbar unheilbaren Krankheiten.
Das Mysterium neigt dazu, den kognitiven Geist zu verärgern, weil es unerklärlich ist und wir werden von Sachen verängstigt, die wir uns nicht erklären können. Mysterien bedrohen unser Weltbild und unser Ego fühlt, dass es keine Kontrolle mehr hat. Im Unterschied zur Ehrfurcht ist das Mysterium kein Bedürfnis. Es ist ein Teil der natürlichen Welt. Das Mysterium IST einfach. Das Leben ist aus seiner Natur heraus mysteriös, deshalb sind wir immer umgeben vom Geheimnisvollen und dennoch mögen wir keine Geheimnisse, Rätsel. Wir mögen es, Geheimnisse zu lösen, aber wir fühlen uns unwohl angesichts ungelöster Rätsel. Sie lassen uns unsere Unsicherheit spüren. Wir mögen es, alles gut in ein nettes kleines Päckchen zu verpacken, so dass wir es uns erklären können. Ein kleines Geheimnis macht die Welt für uns spannend, aber wir werden nervös, wenn das Leben zu viele Geheimnisse verbirgt. Das Mysterium lässt uns fragen, was ist echt und wir mögen es nicht gerne, wenn unser Realitätssinn bedroht wird. Das Mysterium ergibt keinen Sinn und das fühlt sich für uns unbehaglich an.
Aber wenn wir anfangen, uns dem Mysterium gegenüber zu öffnen, dann fühlen wir uns weniger bedroht, das Mysterium fängt an, verlockend zu werden. Wenn ihr es nicht wisst, …. ist alles möglich. Das Mysterium kann sehr spannend sein, wenn ihr euch ihm nicht widersetzt.
Der Unterschied zwischen der Ehrfurcht und dem Mysterium
Ehrfurcht stört den kognitiven Geist nicht so, wie das Mysterium es tut. Ehrfurcht fühlt sich sehr viel angenehmer an als das Mysterium. Das Mysterium kann Ehrfurcht beinhalten – besonders, wenn Wunder sich dabei ereignen – aber Ehrfurcht muss nicht unbedingt ein Mysterium beinhalten. Auf die gleiche Weise, wie wir uns dem Mysterium in uns widersetzen, wehren wir das Mysterium in der Welt ab. Aber wir tendieren nicht dazu, uns auf dieselbe Weise der Ehrfurcht zu widersetzen. Wir neigen dazu, das Mysterium geheim zu halten. Ich bin ständig in Ehrfurcht davor, wie viele Menschen ihre wundersamen Geschichten für sich behalten, weil sie fürchten, dass sie für verrückt erklärt werden, wenn sie die Wahrheit über das Mysterium, das sie erlebten, aussprechen würden. Aber Ehrfurcht ist nicht etwas, vor dem wir uns fürchten, sie mitzuteilen. Wir widersetzen uns der Ehrfurcht anders als dem Mysterium. Ehrfurcht ist auch nicht so ein Geheimnis wie das Mysterium es zu sein beabsichtigt.
Die meisten von uns wissen nicht wie grundlegend wichtig die Ehrfurcht für das menschliche Dasein ist. Ehrfurcht wird nicht als notwendig erachtet. Wir schätzen sie als Sahnehäubchen ein, als einen Luxus. Aber Ehrfurcht ist ein wirkliches Bedürfnis – ein Bedürfnis unserer Seele. Wenn ihr keine Seele hättet, dann könntet ihr keine Ehrfurcht erleben und wenn ihr eure Seele erfahren wollt, dann sucht nach Ehrfurcht. Ihr könnt eure Seele jedes Mal erfahren, wenn ihr Ehrfurcht gefunden habt.
Ehrfurcht und Mysterium im Alltag
Meine Tochter Siena und ich verbringen zusammen drei Wochen Ferien in Byron Bay, Australien – ein kleiner Mutter-Tochter Urlaub, bevor mein Buch Die Anatomie einer Berufung am 29. Dezember herauskommt. Sie litt unter dem Wetter, so dass wir wenig unternahmen, aber an diesem Nachmittag hielten wir auf einer Farm an, wo man sich selbst für 30 australische Dollars eine Kiste mit Gemüse einer biologischen Farm zusammenstellen konnte. Als wir Karotten, rote Beete und Kartoffeln ausgruben, alte Strauchtomaten-Sorten, Auberginen und Paprika abzupften und frischen Kopfsalat, Kohl und Basilikum ernteten, empfand ich Ehrfurcht. Nicht nur Ehrfurcht vor der Fülle von Mutter Erde, sondern auch Ehrfurcht angesichts dessen wie gesegnet ich doch bin, wie wundervoll der Himmel war, wie magisch die Erde ist und aus einem kleinen Samenkorn eine grosse reife Frucht wachsen lässt, wie wunderschön das laute Vogelgezwitscher in Byron Bay ist, der Gegend, wo ich mich aufhalte, tief im Regenwald. Am meisten empfinde ich Ehrfurcht über das Strahlen im Gesicht meiner Tochter, auch wenn sie mit einem Virus darnieder liegt.
Während wir so auf der Farm umher spazierten, fiel mir irgendwie der Schlüssel meines Mietautos aus der Tasche und verschwand – Gott weiss wo zwischen all den Bergen von Erde, Pflanzen und Gemüse er war- ich kniete dazwischen, ging ein paar Gänge auf und ab, fühlte mich ohne Hoffnung und fragte mich, wie in aller Welt ich zu unserem Ferienhaus zurückkommen könnte, wo doch auch mein Telefon in Australien nicht funktionierte. Dann erinnerte ich mich daran, dass ich mein Leben nicht kontrollieren muss. ( Mindestens ein Dutzend Mal am Tag muss ich mich daran erinnern, dass ich meine Probleme nicht allein zu bewältigen brauche.) Ich hörte sofort auf mit der Anwendung der Ohnmachtsübung, die zu einem täglichen Gebet geworden war. Ich übergab den verlorenen Schüssel an das Göttliche, schloss meine Augen, visualisierte die Last des verlorenen Schlüssels als Gewicht auf meinem Herz, und betete, was auch immer der höchste Wille sei, dass er sich verwirkliche und wie ich die Last dem Göttlichen übergebe, das mein geliebter Partner und Mitschöpfer ist. Dann fühlte ich Vertrauen und wusste, dass was auch immer geschieht, ob ich den Schlüssel finde oder nicht, alles gut sein wird.
Zwei Sekunden nach meinem Gebet, schaute ich nach links und genau dort oben auf einem Zweig mit Tomaten lag mein Autoschlüssel. Das ist ein Mysterium – genau so ist es. Meine Seele wurde heute gut ernährt.
Wenn ihr heute noch nicht eure tägliche Dosis an Ehrfurcht gehabt habt, dann macht heute etwas, das eurer Seele Nahrung gibt. Geht hinaus. Schaut euch den Sonnenuntergang an. Lest ein Gedicht von Rumi oder von Hafiz. Erkundet einen neuen Wanderweg. Betrachtet einen Baum. Untersucht eine Pflanze. Beobachtet euer Kind mit magischen Augen. Erlebt einen Kuss, als sei es euer erster.
Wo könnt ihr heute Ehrfurcht finden?
In der Ehrfurcht vor euch – und dem Leben
Über die Autorin:
Lissa Rankin ist Ärztin für Psycho-Somatik, Gründerin des ganzheitlichen medizinischen Instituts, einem Fortbildungsprogramm für Ärzte und Dienstleister im Gesundheitswesen und Bestseller-Autorin in der New York Times mit Geist statt Medizin: Wissenschaftliche Beweise, dass Du Dich selbst heilen und von Angst kurieren kannst. Sie ist auf einer Mission, um das Gesundheitswesen zu heilen durch die Ermächtigung, sich selbst zu heilen.
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Danke Lissa für diesen wunderschönen Beitrag, der mich in den Tag hineinbegleiten wird. Licht und Liebe