Zum Fest der Liebe

Es gibt eine wunderbare Geschichte, die seit geraumer Zeit im Netz zirkuliert, die unser Herz berühren und uns zum Nachdenken anregen kann. Immer wieder, wenn ich lese oder höre wie Leute nach strengeren Strafen und unerbittlicheren Gesetzen auch für kleinere Vergehen rufen – die aber natürlich nicht gelten sollen für die kleinen Gesetzesübertretungen, die man gerne auch selbst tätigt –, dann muss ich an die hier wiedergegebene Geschichte denken. Auch wenn ich nicht weiss, ob die Geschichte wirklich wahr ist *), so zeigt sie uns doch auf eine berührende Weise, wie man mit einer ganz anderen Grundeinstellung zum Leben und zu den Mitmenschen sich in einer alternativen, erhebenden Weise gegenüber so genannten Gesetzesübertretern verhalten kann.

So oft hört man bei uns in der westliche Welt den Ausruf: „Der Mensch ist halt im Grunde egoistisch, und in jedem Menschen steckt das Böse“ und vertritt die Meinung, dass dieses (vielleicht auch nur vermeintlich) Böse nur mit von Menschen verhängten Strafen getilgt werden kann. Ein negatives Menschenbild, Revanchedenken und menschliche Härte stecken hinter dieser Haltung, die einem Voranschreiten der menschlichen Zivilisation in Richtung einer gerechten, spirituell hochentwickelten Gesellschaft im Wege steht. Ein positives Menschenbild, Mitgefühl und der Wunsch, auch einem „Gefallenen“ gegenüber mit Liebe zu begegnen und ihm Unterstützung zu geben, wiederspiegelt die folgende Geschichte, die der unten angegebenen Quelle zufolge eine Tradition des afrikanischen Stamms der Babemba beschreibt.

Babemba 1Im Babemba-Stamm im südlichen Afrika glaubt man daran, dass jeder Mensch als ein gutes, liebenswertes Wesen in diese Welt hinein geboren wurde, dass jeder Mensch sich nach Liebe, Zuwendung, Frieden, Sicherheit und Glück sehnt und diese Geschenke auch verdient.
Aber manchmal handelt man im Verlaufe des Lebens unverantwortlich und macht Fehler.

Wenn ein Mitglied des Stammes grob unverantwortlich, stark unsozial oder ungerecht gehandelt hat, dann wird die Person in die Dorfmitte gebracht, ohne Zwang auszuüben. Die Menschen hören auf zu arbeiten und versammeln sich in einem grossen Kreis um den Stammesangehörigen – Männer, Frauen und Kinder. Dann spricht jeder Einzelne zum „Angeklagten“, einer nach dem anderen, und erinnern den Menschen in der Mitte an alles, was dieser in seinem Leben schon Schönes und Gutes vollbracht hat. Jedes Ereignis, jedes Erlebnis, das man mit dem „gefallenen“ Mitmenschen hatte und das zeigt, wie viel Gutes in dem Menschen steckt, welches seine Stärken und positiven Eigenschaften sind, wie freundlich und hilfsbereit er ist, werden mit grosser Genauigkeit und Aufrichtigkeit allen Anwesenden und besonders dem Betroffenen im Mittelpunkt des Kreises in Erinnerung gerufen. Es ist nicht erlaubt zu übertreiben, es wird nichts erfunden, niemand ist sarkastisch, alle sprechen nacheinander mit liebevoller Zuwendung und Ehrlichkeit zur Person in der Mitte.

Die Zeremonie kann sehr lange dauern, auch mehr als einen Tag, solange bis sichergestellt ist, dass die Gemeinschaft alle die positiven, aufbauenden Begebenheiten mit dem betreffenden Stammesmitglied, alle an die man sich erinnern konnte, vorgebracht worden sind.

Am Ende der Zeremonie wird der Kreis geöffnet, ein fröhliches Fest wird gefeiert und die Person wird symbolisch und real zurück im Stamm willkommen geheissen.

„Aber die Notwendigkeit für solche Zeremonien ergibt sich sehr selten!“ 

Babemba 2

Mögen wir alle erkennen, dass eine Korrektur von asozialem und delinquentem Verhalten nicht durch Bestrafung erfolgreich sein wird, sondern nur durch Liebe, Zuwendung und die Erinnerung an das Strahlende, Göttliche, Vollkommene, das in jedem Menschen vorhanden ist.

Übrigens: Auch die Kelten kannten eine ganz andere Art von Gerichtsbarkeit, als dies heute der Fall ist.
Es galten die Grundsätze: (1) die Wahrheit heraus finden, (2) Unrecht ausgleichen und (3) Streitigkeiten jährlich beilegen, damit dieses nicht immer grösser und grösser wird.
Es gab keine Gerichte wie bei uns, sondern Streit-Feste, man feierte es, dass man etwas wieder in Harmonie bringen konnte.

Mehr dazu kann man hier nachlesen https://wissenschaft3000.wordpress.com/2012/07/07/babemba-gerichtsbarkeit-mit-herz-das-gute-im-menschen-betonen/

 

*) Die Geschichte stammt ursprünglich aus dem Buch „Contact: The First Four Minutes“ von Leonard Sunin. Die Babemba oder Bemba sind eine der grössten Ethnien in den Nordostprovinzen von Sambia und in Teilen des oberen Kongobeckens.
(Bei den beiden Bildern in diesem Beitrag handelt es sich um Symbolbilder.)