Einführung
In dieser gegenwärtigen Zeit des Aufruhrs und des für jeden Erwachenden offen sichtbar gewordenen (End-) Kampfes zwischen den aufstrebenden und den die geistige Entwicklung unterdrückenden Kräften ist es wichtiger denn je, dass wir über die grundlegenden Gesetze des Lebens und die Beschaffenheit der menschlichen Natur Bescheid wissen.
Dazu gehört insbesondere, dass wir uns der Natur und der Kraft der Gedanken bewusst werden und sie auch bewusst einzusetzen bereit und fähig sind. In der Theosophie und der esoterischen Psychologie ist viel zu diesem Thema geforscht und geschrieben worden. Einer der hervorragendsten, aber auch umstrittensten Exponenten der theosophischen Bewegung ist C.W. Leadbeater. Dieser bahnbrechende Erforscher des Okkulten (= des der gewöhnlichen menschlichen Wahrnehmung Verborgenen) zählt ohne Zweifel zu den grössten Hellsehern und Eingeweihten der Neuzeit. Ohne weiter auf diese schillernde Persönlichkeit einzugehen können wir feststellen, dass die Vertiefung in seine Schriften allen nach Erkenntnis Strebenden viel Gewinn bringen kann.
Wir bringen hier die Übersetzung eines Textes von C.W. Leadbeater über die Natur und die Kraft der Gedanken. Um die Ausführungen von Leadbeater besser verstehen zu können ist es wichtig, über einige der in der Theosophie verwendeten Begriffe zum geistigen Aufbau der Schöpfung Bescheid zu wissen. Das rechts gezeigten Diagramm zeigt die verschiedenen Ebenen/Dichten des Kosmas aus spiritueller Sicht.
Wer möchte und des Englischen mächtig ist, kann sich diesen Beitrag in Form eines animierten Videos anhören, hier.
In einem weiteren Artikel werden wir noch speziell auf die verschiedenen Arten von Gedankengebilden konkret eingehen.
Die Illustrationen zeigen Bilder von Gefühls- und Gedankenformen, wie sie im Buch von C.W. Leadbeater & Annie Besant, Gedankenformen, gezeigt werden (Buchrezension dieses Buches hier), zum online Lesen, in englisch, hier.
Der folgende Artikel von C.W. Leadbeater, erschien 1911 in The Theosophical Publishing House; Adyar, Indien; neu veröffentlich auf der Seite www.anandgholap.net.
(Übersetzung Taygeta)
Was ist DENKEN?
Diejenigen, die auch nur oberflächlich mit der theosophischen Literatur vertraut sind, wissen, dass der Mensch ein Vehikel besitzt, das jede der sich durchdringenden Welten/Ebenen unseres Sonnensystems entspricht – dass sein Astralkörper das Vehikel seiner Wünsche, Leidenschaften und Emotionen ist, und dass sein Denken sich durch eine noch feinere Materie dieses höheren Vehikels ausdrückt, das wir gewöhnlich den Mentalkörper nennen. Das Denken zeigt sich dem Blick des Hellsehers in diesem letztgenannten Vehikel, dem Mentalkörper; und es erscheint als eine Schwingung dieser feinen Materie – eine Schwingung, die verschiedene Wirkungen hervorruft, die alle ganz im Einklang mit dem stehen, was die wissenschaftliche Erfahrung in der physischen Welt uns erwarten lässt.
Da ist zunächst die Wirkung, die von einem Gedanken auf den Mentalkörper selbst ausgeübt wird. Es zeigt sich, dass es die Natur des Denkens ist, eine Gewohnheit zu erzeugen. Es gibt viele verschiedene Arten von ‘Materie’ im Mentalkörper, und jede von ihnen scheint ihre eigene spezifische Schwingungsfrequenz zu haben, an die sie am besten angepasst zu sein scheint, so dass sie bereitwillig eine solche Frequenz reagiert und auch dazu neigt, so bald wie möglich dorthin zurückzukehren, wenn sie durch einen starken Gedanken- oder Gefühlssturm weg gezwungen wurde.
Ein ausreichend starker Gedanke kann für einen Augenblick die gesamte Materie des Mentalkörpers in die gleiche Schwingungsgeschwindigkeit versetzen; und jedes Mal, wenn das geschieht, wird es etwas leichter, dass es erneut gleich geschieht. Es wird im Mentalkörper eine Gewohnheit aufgebaut, in dieser Frequenz zu schwingen, so dass der Mensch bereitwillig diesen bestimmten Gedanken wiederholt.
Zweitens gibt es die Wirkung, die auf die anderen Vehikel des Menschen ausgeübt wird, die sich oberhalb und unterhalb des Mentalkörpers bezüglich Dichtegrad befinden. Wir wissen, dass in der physischen Welt Störungen materieller Art leicht auf andere Bereiche übertragen werden – dass zum Beispiel ein Erdbeben eine mächtige Welle im Meer erzeugt und, von der anderen Seite her gesehen, dass eine Störung in der Luft, zum Beispiel durch einen Sturm, sofort Kräuselungen und bald grosse Wellen im Ozean erzeugen wird. Genauso wird eine Störung im Astralkörper eines Menschen (d.h. das, was wir gemeinhin eine Emotion nennen) Wellen im Mentalkörper auslösen und Gedanken verursachen, die der Emotion entsprechen. Umgekehrt wirkt sich eine Bewegung im Mentalkörper auf den Astralkörper aus, wenn sie von einer Art ist, die ihn beeinflussen kann – was also bedeutet, dass bestimmte Arten von Gedanken leicht Emotionen hervorrufen werden. So wie eine Mentalschwingung auf die Astralmaterie wirkt, die von dichterer Art ist, so wirkt sie zwangsläufig auch auf die Materie des Kausalkörpers, die feiner ist. In dieser Weise baut ein gewohnheitsmässiger Gedanke im Ego des Menschen selbst Qualitäten auf.
Bisher haben wir uns mit der Wirkung des Denkens eines Menschen auf sich selbst beschäftigt; und wir sehen, dass es erstens dazu neigt, sich zu wiederholen, und dass es zweitens nicht nur auf seine Gefühle, sondern auch ständig auf das Denken des Menschen selbst einwirkt. Wenden wir uns nun den Wirkungen zu, die Gedanken auf die Aussenwelt hervorrufen, d.h. auf das Meer von geistiger Materie, das uns alle umgibt, so wie wir physisch von der Atmosphäre umgeben sind.
Drittens erzeugt jeder Gedanke eine sich ausbreitende Wellenbewegung, die je nach der Natur des Gedankens, der sie hervorbringt, entweder einfach oder komplex sein kann. Diese Schwingung kann unter bestimmten Bedingungen auf die geistige Welt beschränkt sein, aber sie kann auch eine Wirkung in den Welten darüber und darunter hervorrufen. Wenn der Gedanke rein intellektuell und unpersönlich ist – wenn der Denker zum Beispiel über eine philosophische Sache nachdenkt oder versucht, ein algebraisches oder geometrischen Problem zu lösen – wird die ausgesandte Welle lediglich die geistige Materie beeinflussen. Wenn der Gedanke spiritueller Natur ist, wenn er von Liebe oder geistigem Streben oder von tiefem selbstlosem Gefühl durchdrungen ist, wird er in den Bereich des höheren Mentalen aufsteigen und vielleicht sogar etwas von der Pracht und Herrlichkeit der Intuitionsebene entlehnen – eine Kombination, die ihn überaus mächtig macht. Ist der Gedanke dagegen mit etwas von sich selbst oder von persönlichen Wünschen gefärbt, ziehen seine Schwingungen sofort nach unten und er verbraucht den grössten Teil seiner Kraft in der Astralwelt.
All diese Wellenbewegungen wirken auf ihren jeweiligen feinstofflichen Ebenen genauso wie eine Licht- oder Tonschwingung in der physischen Welt. Sie strahlen in alle Richtungen aus, wobei sie im Verhältnis zu ihrer Entfernung von ihrer Quelle an Kraft verlieren. Aber wir sollten uns daran erinnern, dass die Ausstrahlungen nicht nur auf das Meer der mentalen Materie wirken, das uns umgibt, sondern auch auf andere Mentalkörper, die sich in diesem Meer bewegen. Wir alle kennen das Experiment, bei dem ein auf einem Klavier angeschlagener Ton oder eine auf einer Geige erklingende Saite den entsprechenden Ton auf einem anderen Instrument derselben Art erklingen lässt, wenn dieses genau auf dieselbe Tonhöhe gestimmt wurde. So wie die in einem Instrument erzeugte Schwingung durch die Luft übertragen wird und auf das andere Instrument wirkt, so wird die in einem Mentalkörper erzeugte Gedankenschwingung durch die umgebende geistige Materie übertragen und kann in einem anderen Mentalkörper reproduziert werden – was, von einem anderen Standpunkt aus betrachtet, bedeutet, dass Gedanken ansteckend sind. Wir werden später auf diese Überlegung zurückkommen.
[Vgl. dazu auch unseren Beitrag Das Wetiko-Virus ]
Viertens erzeugt jeder Gedanke nicht nur eine Welle, sondern auch eine Form – ein bestimmtes, separates Objekt, das mit Kraft und Vitalität einer bestimmten Art ausgestattet ist und sich in vielen Fällen wie ein vorübergehendes Lebewesen verhält. Diese Form mag wie die Schwingung nur in der mentalen Welt vorkommen; viel häufiger aber steigt sie auf die astrale Ebene herab und erzeugt ihre Hauptwirkung in der Welt der Emotionen. Das Studium dieser Gedankenformen ist von ausserordentlichem Interesse; eine detaillierte Darstellung vieler von ihnen mit farbigen Abbildungen ihrer Erscheinung findet sich in einem Buch mit dem Titel Gedankenformen [s. Hinweis in der Einführung]. Gegenwärtig beschäftigen wir uns weniger mit ihrem Aussehen als mit ihren Wirkungen und der Art und Weise, wie sie genutzt werden können.
Betrachten wir das Wirken dieser beiden Manifestationen von Gedankenkraft getrennt. Die Schwingung kann einfach oder komplex sein, je nach dem Charakter des Gedankens; aber ihre Kraft wird hauptsächlich auf eine der vier Ebenen der mentalen Materie ausgegossen – die vier Unterebenen, die den unteren Teil der mentalen Welt bilden. Die meisten Gedanken des gewöhnlichen Menschen zentrieren sich um sich selbst, seine Wünsche und seine Emotionen, und sie sind daher Wellenbewegungen der untersten Unterabteilung der Mentalwelt; in der Tat ist der entsprechende Teil des Mentalkörpers der einzige, der in der grossen Mehrheit der Menschheit voll entwickelt und aktiv ist. Es darf nicht vergessen werden, dass sich der Zustand des Mentalkörpers in dieser Hinsicht sehr von dem des Astralvehikels unterscheidet. Bei dem gewöhnlichen kultivierten Menschen ist der Astralkörper ebenso voll entwickelt wie der physische, und der Mensch ist durchaus in der Lage, ihn als Vehikel des Bewusstseins zu benutzen. Nur hat der durchschnittliche Mensch noch nicht die Gewohnheit, ihn auch bewusst zu benutzen, und ist daher ängstlich und misstraut seinen Kräften; aber die Astralkräfte sind alle vorhanden, und es geht einfach darum, sich an ihre Benutzung zu gewöhnen. Wenn jemand sich entweder im Schlaf oder nach dem Tod in der Astralwelt wiederfindet, ist er voll seh- und hörfähig und kann sich bewegen, wie immer er will.
In der Himmelswelt findet er sich jedoch unter ganz anderen Bedingungen wieder, denn der Mentalkörper ist noch keineswegs voll entwickelt, denn das ist Teil der Evolution, mit dem sich die menschliche Rasse im Augenblick beschäftigt. Der Mentalkörper kann nur von denjenigen als Vehikel benutzt werden, die unter den Lehrern der Grossen Bruderschaft der Eingeweihten speziell in seiner Anwendung geschult worden sind; beim Durchschnittsmenschen ist er nur teilweise entwickelt und kann nicht im geringsten als separates Vehikel des Bewusstseins eingesetzt werden. Bei der Mehrheit der Menschen schlafen die höheren Teile des Mentalkörpers noch recht untätig, selbst wenn die unteren Teile sich in heftiger Aktivität befinden. Das bedeutet, dass während die gesamte mentale Atmosphäre von Schwingungen durchflutet wird, die zur untersten Unterabteilung gehören, auf den höheren Unterabteilungen noch vergleichsweise wenig Aktivität herrscht – eine Tatsache, die wir klar im Auge behalten müssen, wenn wir die praktische Möglichkeit des Einsatzes von Gedankenkraft in Betracht ziehen. Sie hat auch einen wichtigen Einfluss auf die Entfernung, auf die sich eine Gedankenwelle auswirken kann.
Die Entfernung, die eine solche Welle zurücklegt, und die Stärke und Ausdauer, mit der sie auf die Mentalkörper anderer auftreffen kann, hängen von der Stärke und Klarheit des ursprünglichen Gedankens ab. In dieser Hinsicht ähnelt sie der Stimme eines Sprechers, der Schallwellen in der Luft in Bewegung setzt, die von ihm in alle Richtungen ausstrahlen und seine Worte an alle diejenigen übermitteln, die sich in Gehörweite befinden; und die Entfernung, bis zu der eine Stimme vordringen kann, hängt von ihrer Stärke und der Klarheit der Äusserung ab. Genauso wird ein starker Gedanke viel weiter tragen als ein schwacher und unentschlossener. Aber Klarheit und Deutlichkeit sind von noch grösserer Bedeutung als Stärke. Auch hier gilt: So wie die Stimme des Sprechers auf unachtsame Ohren stossen kann, wenn Menschen bereits geschäftlich oder privat konzentriert tätig sind, so kann eine starke Gedankenwelle vorbeiziehen, ohne den Verstand eines Menschen zu beeinflussen, wenn dieser bereits völlig in einen anderen Gedankengang vertieft ist. Viele Menschen denken jedoch nicht konzentriert oder stark, es sei denn, es handelt sich um die unmittelbare Verfolgung einer Sache, die die ganze Aufmerksamkeit erfordert, so dass dann viele Wesen in Reichweite sind, die von den Gedanken, die auf sie einwirken, erheblich beeinflusst werden können.
Die Wirkung einer Wellenbewegung ist eminent anpassungsfähig. Sie kann sich sehr genau reproduzieren, wenn sie einen Mentalkörper findet, der in jeder Einzelheit bereitwillig auf sie reagiert; wenn dies aber nicht der Fall ist, kann sie dennoch eine entschiedene Wirkung nach weitgehend ähnlichen Linien erzeugen. Nehmen wir zum Beispiel an, dass ein Katholik vor einem Bild der seligen Jungfrau Maria andächtig niederkniet. Er sendet dann in alle Richtungen starke Andachtsschwingungen aus. Wenn diese auf den Mental- oder Astralkörper eines anderen Gläubigen treffen, werden sie in ihm einen Gedanken und ein Gefühl erwecken, die mit dem Original praktisch identisch sind. Sollten sie jedoch auf einen Christen einer anderen Glaubensrichtung treffen, dem das Bild der Seligen Jungfrau unbekannt ist, werden sie in ihm immer noch das Gefühl der Hingabe wecken, aber das folgt dem eigenen gewohnten Kanal und wird auf Christus gerichtet sein.
Ebenso würden sie, wenn sie einen Muslim berühren sollten, in ihm die Hingabe an Allah erwecken, während im Falle eines Hindû das Objekt Krishna und im Falle eines Pãrsî es Ahuramazda sein könnte. Aber sie würden im Muslim eine Art Hingabe an Allah erwecken, wenn immer es eine Möglichkeit gäbe, auf diese Idee zu reagieren. Sollten sie jedoch den Mentalkörper eines Materialisten berühren, dem die eigentliche Idee der Hingabe in keinerlei Form bekannt ist, würden sie dennoch eine erhebende Wirkung haben. Sie könnten zwar kein Schwingungsmuster erzeugen, an das der Mensch bereits gewohnt wäre, aber sie würden dazu neigen, einen höheren Teil seines Mentalkörpers in irgendeine Art zu berühren. Und die Wirkung wäre zwar weniger dauerhaft als im Falle des voll resonanten Empfängers, aber sie wäre trotzdem da.
Die Wirkung eines bösen oder unreinen Gedankens wird durch dieselben Gesetze geregelt. Ein Mensch, der so töricht ist, sich zu erlauben, mit Hass oder Neid an einen anderen zu denken, strahlt eine Welle aus, die dazu neigt, bei anderen ähnliche Leidenschaften zu provozieren; und wenn sein Hassgefühl auf jemanden trifft, der diesen nicht kennt, und es daher unmöglich ist, dass sie es teilen, so wird die Ausstrahlung doch in ihnen ein Gefühl der gleichen Art gegenüber einer ganz anderen Person wecken.
Die Wirkung einer Gedankenform ist begrenzter, aber viel präziser als die der Welle. Sie kann nicht so viele Personen erreichen – man kann sogar sagen, dass sie überhaupt nicht auf eine Person einwirken kann, wenn diese nicht etwas in sich trägt, das mit der vibrierenden Energie, die sie ausstrahlt, harmonisch ist. Die Kräfte und Möglichkeiten dieser Gedankenformen werden uns vielleicht klarer werden, wenn wir versuchen, sie einzuordnen. Betrachten wir zunächst den Gedanken, der definitiv auf eine andere Person gerichtet ist – so wie wenn ein Mensch von sich aus einen Gedanken der Zuneigung oder der Dankbarkeit (oder leider manchmal auch des Neids oder der Eifersucht) gegenüber einem anderen Menschen aussendet. Ein solcher Gedanke wird, wie jeder andere Gedanke, sich ausbreitende Wellen erzeugen und daher dazu neigen, sich in den Köpfen derer, die sich in seinem Einflussbereich befinden, zu reproduzieren. Aber die Gedankenform, die er erzeugt, ist gleichsam von einer bestimmten Absicht durchdrungen; und sobald er sich vom Mental- und Astralkörper des Denkers löst, geht er direkt auf die Person zu, an die er gerichtet ist, und heftet sich an sie.
Man kann ihn nicht unpassend mit einer Leidener Flasche mit der zugehörigen elektrischen Ladung vergleichen. Die feine Materie der Mental- und Astralwelt, die die entsprechenden Körper bilden, wird durch den Krug symbolisiert, und die vibrierende Energie des Gedankens, die ihn beseelt, entspreicht der elektrischen Ladung. Wenn der Mensch, auf den diese Gedankenenergie gerichtet ist, sich im Augenblick in einem passiven Zustand befindet oder wenn er in sich passende aktive Schwingungen trägt, wird sie sich sofort auf ihn entladen. Die Wirkung wird natürlich darin bestehen, dass die Gedankenenergie eine ähnliche Wellenbewegung hervorruft, wenn es eine solche vorher nicht gab, oder sie verstärkt, wenn sie sich bereits dort befindet. Wenn der Geist des Menschen in dieser Zeit so stark mit anderen Gedankenlinien beschäftigt ist, dass es der Schwingung unmöglich ist, einen Eingang zu finden, schwebt die Gedankenform um ihn herum und wartet auf eine Gelegenheit, sich zu entladen.
Im Falle eines Gedankens, der nicht auf eine andere Person gerichtet ist, sondern vor allem mit dem Denker selbst verbunden ist (wie es ja bei den meisten Gedanken der Menschen der Fall ist), breitet sich die Wellenbewegung wie üblich in alle Richtungen aus, aber die Gedankenform bleibt in unmittelbarer Nachbarschaft ihres Schöpfers, und sie hat die Tendenz, ständig auf ihn zu reagieren. Solange sein Verstand voll mit konkreten Geschäften oder mit einem Gedanken anderer Art beschäftigt ist, wartet die schwebende Form einfach ab; wenn aber seine Gedankentätigkeit erschöpft ist oder sein Verstand für einen Augenblick brachliegt, hat sie die Gelegenheit, auf ihn zu reagieren, und sofort beginnt sie, sich zu wiederholen, das heisst sie erweckt in seinem Verstand eine Wiederholung des Gedankens, dem er sich zuvor ergeben hatte. Manch ein Mensch kann sich von einer ganzen Hülle solcher Gedankenformen umgeben sehen, und er wird häufig ihren Druck auf sich spüren – eine ständige Suggestion bestimmter Gedanken scheinbar von aussen; und wenn der Gedanke böse ist, glaubt er sehr wahrscheinlich, vom Teufel in Versuchung geführt zu werden, während die Wahrheit ist, dass er sein eigener Versucher ist und dass die bösen Gedanken gänzlich seine eigene Schöpfung sind.
Drittens gibt es die Klasse der Gedanken, die weder um den Denker zentriert sind noch sich speziell an eine Person richten. Eine solche in diesem Fall erzeugte Gedankenform hängt weder um den Denker herum, noch hat sie eine besondere Anziehungskraft auf einen anderen Menschen, so dass sie einfach untätig dort schwebt, wo sie ins Dasein gerufen wurde.
Jeder Mensch, der sich durch das Leben bewegt, erzeugt also drei Klassen von Gedankenformen – solche, die geradewegs aus ihm herausschiessen und auf ein bestimmtes Ziel zielen; solche, die um ihn herum schweben und ihm folgen, wohin er auch geht; und solche, die er als eine Art Spur hinterlässt, die seinen Weg markiert.
Die ganze Atmosphäre ist erfüllt von Gedanken dieser dritten Art, die vage und unbestimmt sind, so dass wir uns beim Vorbeigehen sozusagen durch riesige Massen von ihnen hindurchpflügen; und wenn unser Geist nicht bereits fest besetzt ist, können uns diese vagen umherwandernden Fragmente von Gedanken anderer Menschen ernsthaft beeinträchtigen. Sie fegen durch den müssig herumliegenden Verstand, und wahrscheinlich erwecken die meisten von ihnen in ihm kein besonderes Interesse; aber ab und zu kommt einer, der die Aufmerksamkeit auf sich zieht, und der Verstand heftet sich an ihn, unterhält ihn für ein oder zwei Augenblicke und verlässt ihn ein wenig stärker. Natürlich hat diese Mischung von Gedanken aus vielen Quellen keine eindeutige Kohärenz – obwohl man sich daran erinnern muss, dass jede dieser Quellen eine Reihe damit verbundener Ideen in Gang setzen und so den Verstand veranlassen kann, auf eigene Faust zu denken. Wenn ein Mensch sich plötzlich gewahr wird, während er die Strasse entlang geht, und sich fragt „Worüber denke ich nach und warum? Wie bin ich an diesen bestimmten Punkt in meinem Gedankengang gelangt?“, und wenn er versucht, die letzten zehn Minuten lang der Linie seiner Gedanken zu folgen, wird er wahrscheinlich ziemlich überrascht feststellen, wie viele untätige und nutzlose Gedanken ihm in diesem Zeitraum durch den Kopf gegangen sind. Es sind nicht ein Viertel davon seine eigenen Gedanken; es sind einfach jene Fragmente, die er im Laufe der Zeit aufgegriffen hat. In den meisten Fällen sind sie ziemlich wertlos, und ihre allgemeine wahrscheinliche Tendenz ist, dass sie eher böse als gut sind.
Nun, da wir das Handeln des Denkens bis zu einem gewissen Grad verstehen, wollen wir sehen, welchen Nutzen man aus diesem Wissen ziehen kann und welche praktischen Überlegungen sich daraus ergeben. Wenn wir diese Dinge wissen, was können wir tun, um unsere eigene Entwicklung voranzubringen, und was können wir tun, um anderen zu helfen? Es liegt auf der Hand, dass eine wissenschaftliche Betrachtung der Art und Weise, wie das Denken funktioniert, zeigt, dass das Denken für die Evolution von weit grösserer Bedeutung ist, als wir normalerweise annehmen. Da jeder Gedanke oder jedes Gefühl eine dauerhafte Wirkung erzeugt, indem er eine Tendenz verstärkt oder abschwächt, und da darüber hinaus jede Gedankenschwingung und jede Gedankenform unweigerlich auf den Denker reagiert, ist grösste Vorsicht geboten, was die Gedanken oder Gefühle betrifft, die der Mensch in sich zulässt. Der gewöhnliche Mensch denkt selten daran, eine Emotion zu kontrollieren. Wenn er fühlt, wie eine in ihm aufwallt, gibt er sich ihr hin und hält sie für etwas Natürliches. Wer das Wirken dieser Kräfte wissenschaftlich studiert, erkennt, dass es sowohl sein Interesse als auch seine Pflicht ist, jede solche Aufwallung zu überprüfen, ob sie seiner Entwicklung abträglich ist oder nicht, bevor er sich davon beeinflussen lässt.
Anstatt zuzulassen, dass seine Emotionen mit ihm durchgehen, muss er sie unter Kontrolle bringen; und da die Evolutionsstufe, auf der wir angekommen sind, die Entwicklung des Mentalkörpers ist, muss er auch diese Angelegenheit ernsthaft in die Hand nehmen und sehen, was getan werden kann, um diese Entwicklung zu unterstützen. Anstatt dem Verstand zu erlauben, sich seinen Launen hinzugeben, sollte er sich bemühen, die Kontrolle über ihn durchzusetzen, in der Erkenntnis, dass der Verstand nicht der Mensch ist, sondern ein Instrument, das der Mensch lernen muss zu benutzen. Er darf nicht brachliegen, er darf nicht untätig bleiben in der Weise, dass jede vorübergehende Gedankenform auf ihn eindriften und ihn beeindrucken kann. Der würdige Dr. Watts bemerkte vor langer Zeit: „Satan findet immer ein Unheil, das er untätige Hände tun lassen kann“, und sicherlich ist an dem Sprichwort etwas Wahres dran, wenn es auch auf die höheren Ebenen angewandt wird, denn der Geist, der unbesetzt und unkontrolliert bleibt, nimmt viel eher böse Eindrücke auf als gute. Der erste Schritt auf dem Weg zur Kontrolle des Geistes besteht darin, zu lernen, ihn sinnvoll zu beschäftigen – eine bestimmte Menge guter und nützlicher Gedanken als Hintergrund für die Tätigkeit des Geistes zu haben – etwas, auf das er immer dann zurückgreifen wird, wenn es keine unmittelbare Notwendigkeit für seine Tätigkeit im Zusammenhang mit der zu erfüllenden Pflicht gibt.
Ein weiterer äusserst notwendiger Punkt in der Ausbildung der Gedankenkraft ist, sie zu trainieren, das, was sie zu tun hat, gründlich zu tun – mit anderen Worten, dass Konzentrationsfähigkeit erworben wird. Das ist keine leichte Aufgabe, wie jeder ungeübte Mensch feststellen wird, der sich bemüht, auch nur fünf Minuten lang absolut auf einen Punkt konzentriert zu bleiben. Er wird feststellen, dass seine Gedanken eine aktive Neigung zum Umherwandern haben, und dass sich immer wieder alle möglichen anderen Gedanken einschleichen. Der erste Versuch, den Verstand für fünf Minuten auf ein Thema zu fixieren, wird sich wahrscheinlich darin auflösen, fünf Minuten damit zu verbringen, den Verstand immer wieder von verschiedenen Nebensächlichkeiten, die er verfolgt, zurückzuholen. Obwohl die Konzentrationsfähigkeit an sich keine leichte Sache ist, gibt es glücklicherweise viele Gelegenheiten, sie auszuprobieren, und die Aneignung dieser Fähigkeit wird in unserem täglichen Leben von grossem Nutzen sein. Wir sollten lernen, auf das, was immer wir gerade tun, unsere Aufmerksamkeit zu richten und es mit aller Kraft und so gut wie möglich zu tun. Wenn wir einen Brief schreiben, dann werden wir diesen Brief gut und genau schreiben, und werden ihn nicht durch Unachtsamkeit in den Details verzögern oder seine Wirkung beeinträchtigen; wenn wir ein Buch lesen, auch wenn es nur ein Roman ist, dann werden wir es mit Aufmerksamkeit lesen und versuchen, den Sinn des Autors zu erfassen und aus ihm all das zu gewinnen, was es zu gewinnen gibt. Das Bestreben, ständig etwas zu lernen, keinen Tag vergehen zu lassen, an dem man nicht eine bestimmte Übung des Geistes macht, ist sehr heilsam; denn nur durch Übung kommt die Stärke, und so bedeutet Nichtgebrauch immer Schwäche und schliesslich Verkümmerung.
Ein weiterer Punkt von grosser Bedeutung ist, dass wir lernen sollten, unsere Energie zu schonen. Jeder Mensch besitzt nur eine bestimmte Menge an Energie, und er ist dafür verantwortlich, dass sie bestmöglich genutzt wird. Der gewöhnliche Mensch vergeudet seine Kraft auf die törichtste Art und Weise; aber gerade der Student des Okkultismus muss lernen, dies zu vermeiden. Der Durchschnittsmensch ist meist ein Zentrum erregter Schwingungen; er befindet sich ständig in einem Zustand der Sorge, oder des Ärgers über etwas, oder in einem Zustand tiefer Depression, oder er ist übermässig aufgeregt in dem Bemühen, etwas zu erfassen. Aus dem einen oder anderen Grund befindet er sich immer in einem Zustand unnötiger Erregung, gewöhnlich über kleinste Kleinigkeiten. Obwohl er nie darüber nachdenkt, beeinflusst er durch diesen Zustand seines Astral- und Mentalkörpers ständig andere Menschen um sich herum; er teilt diese Schwingungen und diese Erregung ständig den unglücklichen Menschen mit, die in seiner Nähe sind. Gerade weil Millionen von Menschen auf diese Weise durch alle möglichen törichten Wünsche und Gefühle unnötig aufgewühlt werden, ist es für einen sensiblen Menschen schwierig, in einer grossen Stadt zu leben oder sich in eine grosse Menschenmenge zu begeben.
Eine andere Art und Weise, in der der Durchschnittsmensch viel Kraft verschwendet, ist durch unnötiges Argumentieren. Es scheint für ihn unmöglich zu sein, irgendeine Meinung zu vertreten, sei sie religiös oder politisch, oder in Bezug auf irgendeine Angelegenheit des täglichen Lebens, ohne zum Opfer eines übermächtigen Wunsches zu werden, diese Meinung allen anderen aufzuzwingen. Er scheint ziemlich unfähig zu sein, die fundamentale Tatsache zu begreifen, dass das, was ein anderer Mensch zu glauben beschliesst, ihn nichts angeht, und dass er nicht von den für die äussere Welt zuständigen Behörden beauftragt ist, umherzugehen und die Einheitlichkeit des Denkens und der Praxis sicherzustellen. Der weise Mensch erkennt, dass die Wahrheit eine vielschichtige Sache ist, die in ihrer Gesamtheit weder von einem einzigen Menschen noch von einer bestimmten Gruppe von Männern vertreten wird; er weiss, dass zu fast jedem denkbaren Thema Raum für Meinungsverschiedenheiten besteht und dass deshalb ein Mensch, dessen Standpunkt dem seinen entgegengesetzt ist, dennoch etwas Vernunft und Wahrheit in seinem Glauben haben kann; er weiss, dass die meisten Themen, über die sich die Leute streiten, nicht im Geringsten die Mühe einer Diskussion wert sind und dass diejenigen, die am lautesten und zuversichtlichsten sich kund tun, gewöhnlich diejenigen sind, die am wenigsten wissen. Der Student des Okkultismus wird es daher ablehnen, seine Zeit mit Argumentieren zu vergeuden; wenn er um Informationen gebeten wird, ist er durchaus bereit, sie zu geben, aber nicht, seine Zeit und Kraft mit unergiebigem Gerangel zu verschwenden.
Eine weitere häufige und schmerzliche Methode der Kraftverschwendung ist sich zu sorgen. Viele Menschen sind ständig dabei, für sich selbst und für die, die sie lieben, Böses vorauszusagen – sie quälen sich mit der Angst vor dem Tod und dem, was danach kommt, mit der Angst vor dem finanziellen Ruin oder dem Verlust der sozialen Stellung. Auf diesen unnützen und unerfreulichen Gleisen wird viel Kraft vergeudet; aber all diese Dummheit wird von jenen beiseite gelassen, die erkennen, dass die Welt von einem Gesetz absoluter Gerechtigkeit regiert wird, dass der Fortschritt zum Höchsten göttlicher Wille ist, dass er diesem Fortschritt nicht entkommen kann, dass alles, was ihm in den Weg kommt und was ihm passiert, ihm auf diesem Weg helfen soll und dass er selbst die einzige Person ist, die diesen Fortschritt verzögern kann. Er macht sich keine Sorgen und Ängste mehr um sich selbst und um andere; er geht einfach weiter und tut die Pflicht, die ihm am als nächstes begegnet, auf die beste Art und Weise, die er kann, und in der Zuversicht, dass wenn er dies tut, alles gut für ihn sein wird. Er weiss, dass das sich Sorgen noch nie jemandem geholfen hat und noch nie auch nur von geringstem Nutzen war, sondern dass es für eine ungeheure Menge an Übel und Kraftverschwendung verantwortlich ist.
Der weise Mensch lehnt es ab, seine Kraft in unangebrachten Emotionen zu vergeuden. Er wird es zum Beispiel ganz und gar ablehnen, sich wegen etwas, das jemand anders sagt oder tut, beleidigt zu fühlen. Wenn ein anderer etwas sagt, das unwahr oder beleidigend ist, kann angenommen werden, dass in neun von zehn Fällen keine böse Absicht hinter der Bemerkung stand, so dass es nicht nur töricht, sondern auch ungerecht ist, sich darüber aufzuregen. Selbst in den seltenen Fällen, in denen die Bemerkung absichtlich böse und boshaft ist, absichtlich eine andere Person verletzt werden soll, ist es immer noch völlig unangebracht, dass dieser andere Mensch sich selbst verletzt fühlt. Die gemachte Aussage wird ihn nicht verletzen, es sei denn, er greift sie auf und verletzt sich selbst, indem er darüber brütet oder sich in seinen Gefühlen verletzen lässt. Was sind die Worte eines anderen, dass er sich durch sie in seiner Heiterkeit stören lassen sollte? Wenn er sich erlaubt, sich um das zu kümmern, was der andere gesagt hat, dann ist er selbst für die Störung verantwortlich, die in seinem Mentalkörper entstanden ist, und nicht der andere Mensch. Der andere hat nichts getan und kann nichts tun, was ihm schaden könnte, und wenn der Student sich verletzt fühlt und daraus eine grosse Geschichte macht, dann hat er das nur sich selbst zu verdanken. Wenn er innerhalb seines Mentalkörpers oder seines Astralkörpers eine Störung erleidet, die in Bezug auf etwas auftritt, das ein anderer gesagt hat, so liegt das nur daran, dass er noch keine vollkommene Kontrolle über seine Vehikel hat; er hat noch nicht den gesunden Menschenverstand entwickelt, der es ihm ermöglicht, als Seele auf all dies herabzuschauen und seinen eigenen Weg zu gehen und sich seiner eigenen Arbeit zu widmen, ohne irgendwelche Notiz von unbesonnenen oder boshaften Bemerkungen anderer zu nehmen.
Aber das ist schliesslich nur eine Seite der Sache, und zwar die unwichtigste. Sicherlich ist es für seine eigene Entwicklung notwendig, dass ein Mensch seinen Verstand und seine Gefühle unter Kontrolle hält und seine Kraft nicht albern vergeudet; aber es gibt einen anderen Gesichtspunkt, der sicherlich noch wichtiger ist. Denn nur durch entsprechend grosse Sorgfalt wird er fähig, seinen Mitmenschen nützlich zu sein, kann er vermeiden, ihnen Schaden zuzufügen, und lernen, Gutes zu tun. Wenn er sich z.B. ärgern lässt, wird dies natürlich eine ernste Auswirkung auf ihn selbst haben, weil er eine üble Gewohnheit bestärkt und es schwieriger wird, dem schlechten Impuls zu widerstehen, wenn er ein nächstes Mal angegriffen wird. Aber es wird sich auch ernsthaft auf andere um ihn herum auswirken, denn zwangsläufig muss die Schwingung, die von ihm ausgeht, auch auf die ihn umgebenden Menschen einwirken. Wenn er sich bemüht, seine Reizbarkeit unter Kontrolle zu halten, werden das vielleicht auch die anderen tun, und sein Handeln wird ihnen helfen oder sie umgekehrt beeinträchtigen, auch wenn er nicht im Geringsten an sie denkt. Jedes Mal, wenn er es sich erlaubt, eine Welle der Wut auszusenden, ergibt sich die Tendenz, dass eine ähnliche Schwingung im Geist oder Astralkörper der anderen geweckt wird, wenn sie vorher noch nicht existierte, oder verstärkt wird, wenn sie bereits vorhanden war; und so macht er die Arbeit seines Mitmenschen zu dessen Selbstentwicklung schwieriger und belastet seine eigenen Schultern stärker. Wenn er andererseits die Welle des Zorns kontrolliert und nicht sich ausbreiten lässt, werden als Folge der zuvor ausgesprochenen Lüge beruhigende und besänftigende Einflüsse ausgestrahlt, die für alle diejenigen in seiner Nähe, die sich im gleichen Kampf engagieren, ausgesprochen hilfreich sind.
Unvermeidlich und ohne weiteres Zutun von uns muss jeder Gedanke, der in unserem Kopf entsteht, die Gedanken anderer über uns beeinflussen. Denken wir also an unsere Verantwortung, denn wenn wir unreine oder böse Gedanke haben, verbreiten wir moralische Ansteckung unter unseren Mitmenschen. Hunderttausende von Menschen besitzen in sich latente Keime des Bösen – Keime, die vielleicht niemals aufblühen und Früchte tragen werden, wenn nicht eine Kraft von aussen auf sie einwirkt und sie zu Aktivität anregt. Wenn wir uns einem unreinen oder unheiligen Gedanken hingeben, kann die Kraftwelle, die wir so erzeugen, genau der Faktor sein, der solche Keime weckt und wachsen lässt, und so können wir eine Seele auf eine abwärts gerichtete Spirale hinführen. Der solcherweise gegebene Impuls kann später zu Gedanken und Worten und Taten des Bösen erblühen, und diese können ihrerseits Tausende anderer Menschen sogar in weit entfernter Zukunft schädigen. Wir erkennen so, wie schrecklich die Verantwortung für einen einzigen unreinen oder bösen Gedanken ist. Glücklicherweise gilt dies alles sowohl für gute als auch für böse Gedanken, und der Mensch, der sich dessen bewusst wird, kann sich an die Arbeit machen, um eine wahre Sonne zu sein, die ständig Gedanken der Liebe und Ruhe und des Friedens auf alle seine Nächsten ausstrahlt. Dies ist eine wahrhaft grossartige Macht, und sie ist für jeden Menschen nutzbar, für den Ärmsten wie für den Reichsten, für das kleine Kind wie für den grossen Weisen.
Weil wir also diese gewaltige Macht besitzen, müssen wir vorsichtig sein, wie wir sie ausüben. Wir müssen uns bemühen, so an einen Menschen zu denken, wie wir ihn uns wünschen, denn das Bild, das wir uns von ihm machen, wird auf natürliche Weise kraftvoll auf ihn einwirken und in ihm die Tendenz wecken, allmählich in Harmonie mit sich selbst zu kommen. Richten wir unsere Gedanken auf die guten Eigenschaften unserer Freunde, denn wenn wir an irgendeine Eigenschaft denken, werden wir die entsprechenden Energien verstärken und intensivieren!
Aus dieser Überlegung folgt, dass die Gewohnheit des Klatsches und des Skandals, der sich viele Menschen gedankenlos hingeben, in Wirklichkeit eine schreckliche Bosheit ist, für deren Missbilligung kein Ausdruck zu stark sein kann. Wenn Menschen sich der Dreistigkeit schuldig machen, über andere zu diskutieren und klatschen, dann tun sie das gewöhnlich nicht in Bezug auf die guten Eigenschaften, die sie hervorheben. Oft fixieren sie sich mit ihren Gedanken auf ein vermeintliches Übel bei einem anderen und wollen die Aufmerksamkeit von weiteren Menschen auf dieses Übel lenken; und sollte diese schlechte Eigenschaft in der Person, die sie so unangemessen kritisiert wird, wirklich existieren, wird dies die unerwünschte Schwingung weiter verstärken. Wenn aber, wie es gewöhnlich der Fall ist, die Verderbtheit nur in den eigenen geilen Vorstellung der kritisierenden Person existiert und in den Menschen, über die sie tratschen, nicht vorhanden ist, dann erschaffen sie nur mit Macht eine Tendenz für die entsprechende Eigenschaft in der anderen Person, und wenn es irgendeinen latenten Keim davon im Opfer bereits gibt, dann ist es nur allzu wahrscheinlich, dass das ruchlose Bemühen erfolgreich sein wird.
Sicherlich denken wir hilfreich an die, die wir lieben; wir halten in unseren Gedanken ein hohes Ideal von ihnen fest und wünschen uns sehr, dass sie bald in die Lage versetzt werden, dieses Ideal zu erreichen. Wenn wir gewisse Fehler oder Laster im Charakter eines Menschen kennen, sollten wir unter keinen Umständen unsere Gedanken darauf ruhen lassen und sie verstärken; im Gegenteil, wir sollten einen starken Gedanken an die entgegengesetzten Tugenden formulieren und dann Wellen dieses Gedankens an den Menschen aussenden, der unsere Hilfe braucht.
Die gewöhnliche Art besteht darin, dass einer zum anderen sagt: „O je, wie schrecklich ist es doch, dass Frau So-und-so so schlecht gelaunt ist! Denn, wissen Sie, gestern erst hat sie dieses und jenes getan, und ich habe gehört, dass sie ständig, usw., usw… Ist das nicht eine schreckliche Sache?“
Und diese Geschichte wird dann von dreissig oder vierzig liebsten Freunden dieser Person wiederholt, und in wenigen Stunden lassen mehrere hundert Menschen konvergierende Ströme von Gedanken voller Wut und Reizbarkeit über das unglückliche Opfer strömen. Ist es da verwunderlich, dass sie dann alle diese Erwartungen rechtfertigt und ihnen ein weiteres Beispiel gibt für die schlechte Laune, an denen sich die anderen weiden können?
Ein Mensch, der in einem solchen Fall helfen möchte, wird besonders vorsichtig sein und jeden Gedanken des Zorns vermeiden. Statt dessen wird er mit aller Kraft denken: „Ich wünschte, Frau So-und-so wäre ruhig und gelassen; sie hat die Möglichkeit einer solchen Selbstbeherrschung in sich; ich werde ihr einen starken ruhigen, besänftigenden Einfluss senden, der ihr helfen wird, die göttliche Fähigkeiten in ihr zu erkennen“.
Im ersten Fall beinhaltet der Gedanke eine Verärgerung, im anderen Fall einen der Gelassenheit; in beiden Fällen wird er unweigerlich sein Ziel finden und dazu neigen, sich im Mental- und Astralkörper zu reproduzieren. Lasst uns auf jeden Fall häufig und liebevoll an unsere Freunde denken; lasst uns speziell an ihre guten Seiten denken und versuchen, sie zu stärken und ihnen dadurch zu helfen, indem wir unsere Aufmerksamkeit auf ihre positiven Eigenschaften richten; lasst unsere Kritik von jener fröhlichen Art sein, die ebenso eifrig nach einer Perle greift, wie die Kritik des Durchschnittsmenschen sich auf einen imaginären Fehler stürzt.
Ein Mensch mag darauf hinweisen, dass er sein Denken oder seine Leidenschaft nicht beherrschen kann, dass er es oft versucht hat, aber ständig gescheitert ist, und er deshalb zu dem Schluss gekommen ist, dass solche Bemühungen nutzlos sind. Diese Idee ist völlig unwissenschaftlich. Wenn eine schlechte Eigenschaft oder Gewohnheit eine gewisse Kraft in uns besitzt, dann deshalb, weil wir in früheren Zeiten (früheren Leben) zugelassen haben, dass sich diese Kraft summiert hat – weil wir ihr am Anfang, als sie leicht hätte verdrängt werden können, nicht widerstanden haben, sondern zugelassen haben, dass sie mehr Macht erhalten hat, so dass es jetzt schwierig ist, mit ihr umzugehen.
Wir haben es uns in der Tat sehr leicht gemacht, uns auf einer bestimmten Linie zu bewegen, und dementsprechend schwierig ist es, uns auf einer anderen Linie zu begeben – schwierig, aber nicht unmöglich. Die Menge an Dynamik oder Energie, die wir angesammelt haben, ist notwendigerweise eine endliche Menge; selbst wenn wir mehrere Leben ausschliesslich der Speicherung dieser Energie gewidmet haben (eine unwahrscheinliche Annahme), so war die so beanspruchte Zeit doch eine begrenzte Zeit, und die Ergebnisse sind notwendigerweise endlich. Wenn wir jetzt den Fehler, den wir gemacht haben, erkannt haben und uns daran machen, diese Gewohnheit zu kontrollieren und diesem Impuls entgegenzuwirken, werden wir es für notwendig erachten, genau so viel Kraft in die entgegengesetzte Richtung zu bringen, wie wir ursprünglich für den Aufbau dieses Impulses aufgewendet haben. Natürlich können wir nicht sofort genügend Kraft aufbringen, um der Arbeit vieler Jahre vollständig entgegenzuwirken, aber jede Anstrengung, die wir unternehmen, wird die Menge der aufgestauten Energie verringern. Wir selbst als lebende Seelen können unendlich viel Kraft erzeugen; wir haben einen unendlichen Vorrat an Kraft, aus dem wir schöpfen können, und deshalb ist es absolut sicher, dass wir, wenn wir durchhalten, am Ende erfolgreich sein müssen. Wie oft wir auch scheitern mögen, jedes Mal, wenn diesem endlichen Kraftreservoir etwas entzogen wird, wird es weniger werden, so dass unser letztendlicher Erfolg nur eine Frage der Zeit ist.
Vielleicht hast du schon beobachtet, wie ein Eisenbahnarbeiter durch stetiges und kontinuierliches Schieben einen grossen Waggon in Bewegung gesetzt hat. Nachdem er ihn dorthin gebracht hat, wo er ihn haben will, wie hält er ihn dann an? Es ist ihm selbst unter Einsatz seiner äussersten Kraft nicht möglich, ihn sofort zu kontrollieren; er stellt sich also vor ihn und hält energisch dagegen, drückt in Rückwärtsrichtung, und er hört nie auf, seine Kraft gegen den Schwung einzusetzen. So gleicht er nach und nach den Energieimpuls aus, den er selbst zuvor erzeugt hatte, und so erringt er endlich seinen Sieg und bringt den Wagen zum Stillstand. Ein gutes Schulbeispiel für die Neutralisierung eines bisherigen Karmas!
Das Wissen um den Gebrauch dieser Gedankenströme ermöglicht es uns, immer dann Hilfe zu leisten, wenn wir von einem Fall von Trauer oder Leid erfahren. Es kommt sehr oft vor, dass wir in der physischen Welt nicht in der Lage sind, etwas für den Leidenden zu tun; unsere physische Präsenz mag ihm nicht hilfreich genug sein; sein physisches Gehirn kann durch Vorurteile oder religiöse Bigotterie unseren Vorschlägen gegenüber verschlossen sein. Aber seine Astral- und Mentalkörper sind weitaus leichter zu beeindrucken als der physische, und es steht uns immer offen, uns diesen durch eine Welle von hilfreichen Gedanken oder von Zuneigung und beruhigenden Gefühlen zu nähern.
Wir dürfen nicht vergessen, dass das Gesetz von Ursache und Wirkung in der feineren Materie ebenso sicher gilt wie in der dichteren, und dass folglich die Energie, die wir ausschütten, ihr Ziel erreichen und ihre Wirkung entfalten muss. Es steht ausser Frage, dass das Bild oder der Gedanke, den wir einem Menschen zu seinem Trost oder zu seiner Hilfe übermitteln wollen, ihn erreichen wird; ob es sich auch in seinem Verstand/seinem bewussten Geist klar zeigen wird, hängt erstens von der Klarheit und Bestimmtheit des übersendeten Impulses ab, und zweitens von seinem geistigen Zustand zu der Zeit. Er mag so sehr mit Gedanken an seine eigenen Prüfungen und Leiden beschäftigt sein, dass für unsere Idee wenig Raum bleibt, um sich einzufügen; aber in diesem Fall wartet unsere Gedankenform einfach ab, und wenn seine Aufmerksamkeit endlich abgelenkt wird oder die Erschöpfung ihn zwingt, die Aktivität seines eigenen Gedankengangs auszusetzen, wird die unsere sicherlich hineinschlüpfen und ihren Botengang der Barmherzigkeit tun. Es gibt so viele Fälle, in denen der beste Wille der Welt physisch nichts für einen Leidenden tun kann; aber es gibt keinen denkbaren Fall, in dem weder in der Mental- noch in der Astralwelt durch stetige, konzentrierte, liebevolle Gedanken eine gewisse Erleichterung verschafft werden kann.
Die Phänomene der Heilung von Verstand und Geist zeigen, wie mächtig ein Gedanke selbst in der physischen Welt sein kann, und weil er in der astralen und mentalen Materie noch viel leichter wirkt, können wir lebhaft erkennen, wie gewaltig die Macht wirklich ist – wenn wir sie nur ausüben wollen. Wir sollten nach Gelegenheiten Ausschau halten, auf diese Weise hilfreich zu sein; aber es wird zweifellos viele Fälle geben, die sich von selbst ergeben. Wenn wir auf der Strasse gehen, in der Strassenbahn oder im Zug fahren, sehen wir oft jemanden, der offensichtlich unter Depressionen oder Traurigkeit leidet; das ist unsere Gelegenheit, und wir können sie sofort nutzen, indem wir versuchen, ihn anzuregen und ihm zu helfen. Versuchen wir, ihm nachdrücklich das Gefühl zu vermitteln, dass trotz seiner persönlichen Sorgen und Nöte vor allem die Sonne noch immer scheint, und dass es noch vieles gibt, wofür man dankbar sein kann, vieles, was gut und schön ist in der Welt. Manchmal können wir die sofortige Wirkung unserer Bemühungen sehen – wir können tatsächlich beobachten, wie der Mensch sich unter dem Einfluss des Gedankens, den wir ihm geschickt haben, aufhellen wird. Wir können nicht immer ein solch unmittelbares physisches Ergebnis erwarten; aber wenn wir die Naturgesetze verstehen, werden wir in jedem Fall sicher sein können, dass irgendein gutes Ergebnis erzielt wird.
Für einen Menschen, der nicht an diese Erkenntnisse gewöhnt ist, kann es schwierig sein zu glauben, dass er wirklich diejenigen beeinflussen kann, an die er seine Gedanken richtet; aber die Erfahrung in einer grossen Zahl von Fällen hat uns gezeigt, dass jeder, der solche Anstrengungen in die Praxis umsetzt, mit der Zeit Beweise dafür finden wird, dass sich seine Erfolge häufen, bis es ihm nicht mehr möglich ist, zu zweifeln. Jeder Mensch sollte es zu einem Teil seines Lebens machen und versuchen, allen zu helfen, die er kennt und liebt, seien sie nun das, was man gemeinhin als lebendig oder als tot bezeichnet; denn natürlich macht der Besitz oder das Fehlen des physischen Körpers keinerlei Unterschied in der Wirkung der Kräfte, die auf den Mental- und Astralkörper einwirken. Durch stetiges regelmässiges Üben wird sehr viel Gutes getan, denn wir verstärken eine Kraft, indem wir sie nutzen, und während wir also unsere eigenen Kräfte entwickeln und unseren Fortschritt sichern, wird der Welt durch unsere freundlichen Bemühungen geholfen werden.
Ich erinnere mich, in einem amerikanischen Buch über Geistheilung eine Passage gesehen zu haben, die überaus gut illustriert, wie die theosophische Haltung in Bezug auf die Pflichten und das Verhalten im täglichen Lebens aussehen sollte: „Knete Liebe in das Brot, das du backst“, hiess es, „wickle Kraft und Mut in das Paket, das du für die Frau mit dem abgekämpften Gesicht schnürst; lege Vertrauen und Offenheit in die Münze, mit der du den Mann mit den misstrauischen Augen bezahlst“.
Originell im Ausdruck, aber schön im Denken! Es entspricht wahrhaftig dem theosophischen Konzept, dass jede Beziehung eine Chance darstellt und dass jeder, dem wir auch nur zufällig begegnen, ein Mensch ist, dem man helfen kann. So geht der Student des Guten Gesetzes durchs Leben und verteilt Segen auf alle um ihn herum und tut überall unauffällig Gutes, auch wenn die Empfänger des Segens und der Hilfe oft keine Ahnung haben, woher sie kommen. Vergessen wir nie, dass von solchen Wohltaten jeder Mensch seinen Anteil erhalten kann – und es sollte jeder Mensch seinen Anteil bekommen. Jeder, der denken kann, kann freundlich hilfreiche Gedanken aussenden, und kein solcher Gedanke hat jemals versagt oder kann jemals versagen, solange die Gesetze des Universums gelten. Wir können vielleicht nicht immer das Ergebnis sehen, aber das Ergebnis ist da, und wir wissen nicht, welche Frucht aus dem winzigen Samenkorn, das wir im Vorübergehen auf unserem Weg des Friedens und der Liebe säen, entstehen kann.
***********************
Das Denken ist immer alt, denn das Denken ist die Reaktion der Erinnerung als Wissen und Erfahrung. Das Denken ist Materie. Jiddu Krishnamurti
Herzlichen Dank für die weisen und hilfreichen Gedanken von 1911. Unter dem Bild der Kirche mit den Musikwellen meinten Sie sicher: Felix Mendelssohn Bartholdy? Alles Liebe uns Allen und Ihnen für Ihre segensreiche Arbeit, von Herzen Ulrike.
Danke Taygeta 🙏🙏 für diesen tollen Beitrag, das ist das Lebenselixier.💫🍀