Von Eli Glezvalle auf fractalenlightenment.com; übersetzt von Taygeta
Die Gnosis*) (auch: Gnostizismus) ist eine der mystischsten Bewegungen unserer Geschichte und ist mit der Ausbreitung des Christentums begraben und vergessen worden. Diese Weltsicht erwacht nun langsam wieder und gewinnt die Herzen der Menschen. Vielleicht liegt es daran, dass sie die Geschichte erzählt, auf die die Menschheit hören sollte und die wir brauchen, um uns wieder an unsere wahre Natur zu erinnern…
*) Gnosis*) (griech. »Wissen« oder »(Er-)Kenntnis«) bezeichnet das von einer Elite von Eingeweihten gehütete Wissen um göttliche Geheimnisse, während Gnostizismus eine Gruppe von Glaubensrichtungen des 2./3. Jh. n.Chr. umfasst, die auf gnostischen Ideen und Lehrelementen beruhen.
„Dies ist die grundlegende Einsicht der Gnostiker, die den grossen mystischen Denkern aller Traditionen bekannt ist: Der göttliche Funke ist in jedem Menschen.“ ~ Lesley Hazleton
Den Gnostikern zufolge, die mystisches Wissen besassen, gibt es eine ultimative Wahrheit, die Erschaffung der Welt betreffend. Sie erkannten, dass das menschliche Leiden die Folge einer Täuschung ist, in der wir gefangen sind.
Göttin Sophia und die ultimative Wahrheit
Die ultimative Wahrheit ist, dass die Göttin Sophia (griechisch für Wissen), die Schöpferin des Universums, in ihrer Absicht, dieser Welt Gestalt zu geben, Spezies erschaffen wollte, die eine gewaltige Freiheit erhalten sollten, um zu spielen und zu erforschen, um zu geniessen, Freude zu empfinden und sich selbst alles zu erschaffen, was sie wollten.
Sophia trennte sich nicht von dem, was sie schuf. Sie war kein unpersönlicher Gott, der diktierte, was richtig und falsch war. Sophia war so enthusiastisch und fasziniert von den Kreaturen, die sie sich erträumte, dass sie sich während des Erschaffungsprozesses nicht von ihrem Projekt entfernen konnte, wie es andere Götter getan hätten. Stattdessen wollte sie an ihrer Schöpfung teilhaben und ihre Geschöpfe beobachten. Und so stürzte sie vom Rand des Universums, d.h. dem Pleroma, der Gesamtheit der göttlichen Kräfte, der Vollkommenheit.
Bei diesem Fall spaltete sie sich in zwei Teile; ihre irrationalste Passion wurde zur Welt der Materie – dem Universum – und ihr höherer Teil blieb himmlisch.
Sie wusste jedoch nicht, dass ihre Faszination und ihr Engagement für ihre Geschöpfe auch Konsequenzen haben würden. Infolge ihrer irrationalen Leidenschaft und ihres Sturzes aus dem Pleroma fiel sie in den Schlagschatten des Bösen, inkarnierte und verstrickte sich in der Welt der Materie, die vom Demiurgen kontrolliert wurde.
Der Demiurg ist laut Gnostizismus das Wesen, das von der Welt der Materie Besitz ergriffen hatte, und dieses Wesen wurde von Gier und Neid angetrieben. Die Gnostiker glaubten, dass dieses Wesen auch die Anerkennung für die von Sophia geschaffene Welt an sich reissen wollte, indem er behauptete, der wahre Gott zu sein, und wollte, dass die Menschen ihn als den wahren Schöpfer des Universums anbeteten.
Er wollte die Menschen versklaven und sie davon abhalten, die Wahrheit zu erkennen, nämlich dass alles in dieser Welt den göttlichen Funken der Sophia in sich trägt und dass, weil Sophia in uns allen ist, alle Menschen diesen göttlichen Abdruck in sich hegen. Wir Menschen sind Energiewesen, die in einem Körper leben, und wir sind viel mehr als unsere physische Gestalt. Und in diesem Wissen liegt unser Potenzial, unsere durch unser Glaubenssystem geschaffenen Grenzen zu überwinden.
Den Gnostikern zufolge versuchte der Demiurg, da er die Welt der Materie beherrschte, die Menschen so weit wie möglich in ihren psychischen Kräften und Visionen zu unterdrücken. Er wollte, dass die Menschen glauben, die einzig wahre Realität sei die Welt der Materie und das, was wir mit unseren physischen Augen sehen können.
Wie der Gnostizismus die Entwicklung unserer Gesellschaft erklärt
Der Demiurg konnte den menschlichen Verstand kontrollieren, insbesondere jenen der Menschen, die aufgrund von Gefühlen wie Gier, Neid und Angst nach Macht strebten. Er tauchte in die Glaubenssysteme der Menschheit ein, zuerst in die monotheistischen und patriarchalischen Religionen, die auf der Erde Gestalt annahmen, und später in die moderne Gesellschaft, die auf der Angst vor Sünde und Schuld fusste.
Dieser neue Gott gab vor, dass sich für den Menschen nur durch Leiden die Türen zur Erlösung öffnen liessen. Er unterdrückte die ursprüngliche Sexualität und Freude der Menschheit – ganz im Gegensatz zu der Art und Weise, wie Sophia wollte, dass ihre Wesen die Welt erleben sollten.
Die ursprüngliche Religion der Erde, seit dem Paläolithikum und Neolithikum, basierte auf der Göttin und der Symbiose von Sexualität und Spiritualität, Heiligem und Weltlichem, Mensch und Natur. Diese alte Religion wurde allmählich verdrängt und verfolgt, als neue Formen monotheistischer Religionen an Macht gewannen. Die ursprünglichen Gnostiker, Heiden, Hexen und Schamanen – alle, die die Erde und Sophia verehrten – wurden ab dem 1. Jahrhundert nach Christus gefoltert, verbrannt und getötet.
Die Frage, die auch moderne Gnostiker sich stellen, lautet: Wie kommt es, dass Machthunger, Gier und Neid den Geist der Menschen, die diese Gräueltaten verüben, kontrollieren? Welcher wahre Gott oder welche wahre Göttin hätte gewollt, dass diese schrecklichen Dinge geschehen? Für den Gnostiker war klar: nur ein falscher Gott kontrollierte den menschlichen Geist, indem er ihn Phasen von Zorn, Angst und Schuld durchlaufen liess.
„Der wahre Gnostiker versteht, dass es einen Unterschied zwischen religiöser Aktivität und spiritueller Wahrheit gibt.“ ~ David Tresemer
Die spirituelle Wahrheit gemäss den Gnostikern
Wie die Gnostiker glaubten und auch die Heiden in ihren Zeremonien bekundeten, ist die Sophia in uns allen auf der Erde gegenwärtig. Die Erde selbst ist Gaia, die Schöpfergöttin des Lebens, die will, dass wir Freude und Glück empfinden.
Gesellschaften, die mit der Natur und der Erde verbunden waren, liessen nicht zu, dass diese neue Welle von (monotheistischen und patriarchalen) Glaubenssystemen ihre Lebensweise diktierte, denn für sie öffneten sich die Türen zur Erlösung und zum Göttlichen durch Freude, Respekt vor der Natur, Zusammenarbeit, Gebet und Liebe. In der Folge starben viele Gnostiker bei der Verteidigung dessen, was für sie wahr war.
Das alte religiöse System zerfiel, und von Gier getriebene Unternehmen, Konsumdenken und totalitäre Regierungen nahmen die Stelle des neuen Gottes ein. Dies wurde von den Gnostikern als der Weg des Demiurgen interpretiert, der uns blind für unsere wahre Natur machte – unseren Ursprung als Geschöpfe der Göttin Sophia.
Wenn wir die Welt, in der wir leben, betrachten, sehen wir, wie die Menschen die Erde ausgebeutet und ihre Mineralien und wertvollen Stoffe mit Maschinen abgebaut haben, ohne jeglichen Respekt vor der Natur oder Gedanken an Nachhaltigkeit. Die Technologie war ein grosser Schritt für uns, um schneller kommunizieren zu können und einen höheren Lebensstandard zu haben. Sophia wollte es und gab uns die Freiheit, selbst zu erschaffen.
Aber folgen wir wirklich ihrem ursprünglichen Wunsch, unser volles Potenzial und unsere Kreativität zu nutzen, oder haben wir uns in die falsche Richtung entwickelt?
Die Lungen unseres Planeten werden durch Ausbeutung des Landes und andauernde Abholzung für immer mehr Profit zerstört. Die Ozeane werden verseucht, die Luft ist verschmutzt, und Kriege verwüsten weiterhin unsere Welt. Ist dies die Folge der Trennung von der Göttin, wie man sie in den alten Traditionen noch kannte? Haben die Menschen ihre Verbindung zu den Geistern der Natur und schliesslich zu dem göttlichen Funken verloren, der ein Abdruck von Sophia, dem Ursprung unserer Schöpfung, ist?
Vielleicht nähren wir unbewusst unsere Gier und erlauben so dem Demiurgen, unsere inneren mystischen Ursprünge zu übernehmen und vergessen dabei die Heiligkeit der Erde und unserer selbst. Ergibt sich daraus unser Glauben, dass die Welt der Materie die ultimative Realität ist, und dass wir dem Materialismus huldigen und unsere spirituellen Augen verschliessen?
„Wir befinden uns in einer Zeit, in der grosse Flügel über unsere Welt fegen. Mögen diese Flügel wegfegen, was wir nicht mehr brauchen, und uns zurückbringen zu unserem wahren Selbst und zu allem, was ist.“ ~ Medicine Song
Dennoch, während sich die Gesellschaft in einem rasanten Tempo verändert, erleben wir gegenwärtig eine neue Welle des Bewusstseins. Unser eigenes Bewusstsein entwickelt sich und immer mehr Menschen verbinden sich wieder mit der Energie der Erde, dem Mitgefühl für alle Lebewesen, der bedingungslosen Liebe zu anderen und der heilenden Kraft, die zur Verfügung steht, wenn sich die Menschen an den göttlichen Funken erinnern, der in ihnen und allen Geschöpfen steckt.
Wie die Gnostiker vorausgesagt haben, wird die Menschheit aufwachen und die Täuschung erkennen, die sie lange Zeit gefangen hielt und sie daran hinderte, der Göttin zu begegnen, der Urmutter und Kraft des Universums, Sophia, die die wahre Sehnsucht der Seele und das Verlangen der Menschen ist.
„Ich bin die Königin, die Quelle der Gedanken, das Wissen selbst. Du kennst mich nicht, und doch wohnst du in mir.“ ~ Antiker gnostischer Text
Wie die Gnostiker und Heiden glaubten, ist das Schönste, was je erschaffen wurde, die Erde – Sophia selbst in materialisierter Form. Wir Menschen verbringen viele Leben damit, uns daran zu erinnern, dass wir Teil von ihr sind, und dass sie in jedem von uns ist.
Wir haben diese Wahrheit vergessen, und es ist an der Zeit, dass wir aus dem Traum, den wir leben, aufwachen, unsere wahren Wünsche erkennen, unser inneres Glück finden und uns wieder mit der Quelle der unendlichen Liebe verbinden, indem wir die Erde heilen und ihr all die Liebe zurückgeben, die sie uns gegeben hat, als sie ihre eigene Göttlichkeit opferte, um dieses lebendige Universum und schliesslich uns zu erschaffen.
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Bildquelle: Gemälde von Helena Nelson Reed
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