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In der modernen Welt kann das Wort Bewusstsein oder Gewahrsein auf verschiedene Dinge angewendet werden; zum Beispiel kann man damit meinen wach sein oder wissend sein. Doch bleibt dieses Verständnis von Bewusstsein etwas an der Oberfläche. In dem Wort steckt mehr Tiefe als das, was einem als erstes einfällt.

Gewahrsein ist im Wesentlichen eine Praktik. Eine, die damit beginnt, in jedem Augenblick voll präsent zu sein – was auch immer der Augenblick ist. Es ist ein Zustand des Seins, in dem wir unsere volle Aufmerksamkeit auf all das richten, was uns umgibt und um uns herum geschieht. Dies bedarf insbesondere der Fähigkeit, dass wir auch in Momenten, die uns herausfordern oder schwierig sind, voll bewusst und präsent bleiben.

Es ist ganz einfach präsent zu sein, oder besser gesagt, es ist einfacher, voll präsent zu sein, wenn das, wofür wir präsent sind, angenehm ist. Es erfordert jedoch eine bestimmte Art von Übung, um in Momenten, die uns herausfordern oder schwierig sind, voll bewusst und präsent zu bleiben.

Zum Beispiel: Stellen wir uns vor, es gäbe einen grossen Streit zwischen dir und deinem Partner. In einem solchen Moment präsent zu sein und sich „des Kampfes“ bewusst zu sein, oder besser gesagt, sich bewusst zu sein, was wirklich geschieht – so wie es ist, ohne in die Vergangenheit abzudriften, oder es mit ähnlichen Situationen zu vergleichen, die schon einmal vorgekommen sind, oder in die Zukunft abzugleiten und zu denken, dass man es nicht mehr aushält – erfordert ein tiefes Gewahrsein. Wenn aber beide präsent und bewusst sind, könnte das möglicherweise den Konflikt schnell beenden.

Sobald wir uns wegtragen lassen in die Fiktion des Argumentierens – in eine Geschichte hinein, wenn man so will – sind wir aus dem Gewahrsein herausgekommen. In unserem konkreten Beispiel handelt es sich um eine sehr herausfordernde Situation, denn beide Personen müssen sich gleichzeitig dessen bewusst sein, was ausserhalb von ihnen geschieht und der Reaktionen des Verstandes (im Inneren) gewahr sein, während sie die Dynamik mit der anderen Person steuern. Es ist kein einfacher Prozess, besonders wenn unsere Angriffs-/Verteidigungsmechanismen die Führung übernehmen.

„Lasst uns nicht im Zorn zurück und nicht in Angst vorwärtsblicken, sondern im Bewusstsein dessen, was um uns herum ist.“    ~    Unbekannt

Bewusstsein ist die Bereitschaft, das, was jetzt geschieht, zu erfahren, jeden Aspekt davon zu beobachten und es in diesem Moment als neu zu sehen, auch wenn der Verstand meint, es schon hundertmal gesehen oder alles schon einmal gehört zu haben.

Es bedeutet buchstäblich, jeden Morgen aufzuwachen und alles – auch den Partner – mit neuen Augen zu sehen, so wie er/sie gerade in diesem Moment ist, und nicht mit den Geschichten einer gemeinsamen Vergangenheit. Es verlangt von uns, alle uns zur Verfügung stehenden Sinne einzusetzen, um das Geschehen aufzunehmen (Sehen, Riechen, Hören, Schmecken, Fühlen), um ein tieferes, klareres Bild zu erhalten. Nicht nur ein eindimensionales Bild.

Bewusstsein von Kindern lernen

Bei den meisten von uns sind durch unseren Erziehungs- und Domestizierungs-Prozess abgestumpft worden. Erinnern wir uns daran, dass wir als Kinder die Welt unter anderem dadurch verstehen lernten, dass wir uns jeden Gegenstand in den Mund gesteckt haben. Und jedes Mal wurde uns gesagt, dass wir es nicht tun sollten, dass es gefährlich sein könnte, dass wir ersticken könnten – was verständlich und plausibel ist – aber es nahm uns auch unsere natürlichen Instinkte, mit der Welt zu interagieren und sie mit allen unseren Sinnen zu verstehen. Im Allgemeinen verlassen wir uns auf unseren dominanten Sinn (das Sehen), um die Informationen zu verarbeiten, die da draussen sind. Das macht es dem Schwindler in uns leichter, unsere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, weil wir die Welt nur über eine einzige Informationsquelle wahrnehmen.

Wenn wir wie Kinder alle unsere Sinne einsetzen, um Bewusstsein zu üben, hilft uns das, im Jetzt geerdet zu bleiben, anstatt in Geschichten aus der Vergangenheit stecken zu bleiben. Noch einmal: Kinder zeigen uns wirklich, wie das Sein im Jetzt aussieht… Sie können heftig weinen oder vor Wut schreien und fünf Minuten später über etwas anderes lachen. Sie bewegen sich von einem Moment zum anderen, ohne Notizen zu machen oder eine Inventur dessen aufzunehmen, was in der fernen Vergangenheit geschehen ist. Sie erlauben sich, das, was sie in diesem Moment fühlen, in vollem Umfang zu erleben.

Wir sind es, die sie aufhalten, korrigieren, zum Schweigen bringen, sie beschämen, in ihren Prozess eingreifen, um sie zu domestizieren/zu zähmen, damit sie sich in unsere Gewohnheiten, Überzeugungen, Familien, Gemeinschaften, Gesellschaften einfügen können. Wir tun das meist unbewusst, mit fehlendem Bewusstsein, indem wir einfach wiederholen, was uns selbst angetan wurde.

Waches Bewusstsein würde es uns ermöglichen, unser Kind mit neuen Augen zu sehen und gleichzeitig unsere eigenen Muster und unsere Domestizierung (‘Zähmung’) zu verstehen und möglicherweise im entsprechenden Moment die Entscheidung zu treffen, anders zu handeln. Weil Kinder im Jetzt leben, sind sie leicht und gelöst, im Gegensatz zu uns, die all unsere vergangenen Erfahrungen in unserem Verstand, in unseren Herzen und in unseren Körpern tragen; wir nehmen sie mit an jeden neuen Ort, in jede neue Beziehung, jede neue Erfahrung, jeden Tag, jeden Moment…

Wir beschmutzen das Jetzt mit der Vergangenheit, da wir nicht wirklich wissen können, wie sich der gegenwärtige Moment anfühlt, wie er aussieht, wie er riecht und schmeckt. Wir sind nie wirklich hier. Es ist echt lustig. Wir sind immer damit beschäftigt, über die Vergangenheit nachzudenken oder die Zukunft zu planen, aber wir verbringen nur sehr wenige unserer wachen Stunden voll bewusst und präsent, im Augenblick.

Und jeder Augenblick, der gerade vorbei ist, wird zur Vergangenheit. Und wir haben die vergangenen Erinnerungen nicht absichtlich mit unserem vollen Bewusstsein geschaffen, sondern wir haben sie vom Autopiloten schaffen lassen. Und wenn wir im Moment nicht wirklich präsent und bewusst sind und alle Momente sich addieren und dabei unsere Zukunft schaffen, welche Zukunft erschaffen wir dann bewusst?

Sich seines inneren Geschwätzes bewusst werden

Eine einfache Art und Weise zu üben, bewusster zu werden, ist, innezuhalten und sich selbst zu fragen: Was rieche ich? Was höre ich? Was schmecke ich? Wie fühlt sich dies oder jenes an? Der äussere Aspekt des Gewahrseins ist aber nur ein Teil des Puzzles. Die tiefere Praxis des Gewahrseins ist die Fähigkeit, die Reaktion des Verstandes auf die äussere Umgebung zu sehen, zu bezeugen, wahrzunehmen – insbesondere alle Etiketten, Erzählungen, Überzeugungen, die entstehen und unsere Sucht nach Leiden aktivieren.

„Bewusstsein ist der grösste Faktor für Veränderung.“    ~     Eckhart Tolle

Wenn wir uns unserer mentalen Muster bewusst sind, können wir die Geschichten, die nicht wahr sind, durchschauen, bevor sie eine Reaktion in uns und um uns herum provozieren. Anstatt uns in einem ständigen reaktiven Zustand zu befinden (der anstrengend ist), können wir in einer entspannten Art, die nicht in einer Angst wurzelt, reagieren.

Um eine Analogie zu ziehen: Es ist, als ob unser Verstand Jerry und unser Bewusstsein Tom wäre. In Tom & Jerry läuft Tom immer hinter Jerry her und versucht, den Kleinen zu fangen. Es ist so ziemlich dasselbe mit unserem Verstand und unserem Bewusstsein. Es geht darum, die gewohnheitsmässigen Muster des Verstandes zu fangen, die versuchen, seine Sucht nach Leiden zu nähren, und wie Jerry weicht der Verstand den Fallen aus, wenn sie auftauchen, sehr zur Verzweiflung von Tom. Sich bewusst machen, was in unserem Verstand vorgeht, kann auf verschiedene Weise hilfreich sein.

Lasst mich ein kleines und nettes Beispiel geben. Stelle dir vor, ein Freund macht dir ein Kompliment mit einem „Du bist fantastisch, du bist der/die Beste!“ Dieses gut gemeinte Kompliment scheint harmlos zu sein. Und in der Tat ist es auch harmlos! Die Worte richten keinen Schaden an, solange der Empfänger (du) nicht zu viel Glücksgefühl in dieses oder irgendein anderes Kompliment investierst.

Was passiert, wenn wir unser Glück in die Wahrnehmung investieren, die andere von uns haben? Wenn uns jemand opponiert oder wir kein Lob oder Kompliment erhalten, ohne zu erkennen, ohne uns dessen bewusst zu sein, ist das ein Schritt zum unglücklich sein.

Es kann zu Enttäuschungen führen, wenn unsere Identität sukzessive mit der Zustimmung anderer verwoben wird. Eine einfache Übung, um dies herauszufinden und sich mit unseren Mustern in Bezug auf Komplimente und das Fehlen von Komplimenten vertraut zu machen, kann darin bestehen, dass wir darauf achten, wie wir auf Komplimente oder das Fehlen von Komplimenten reagieren. Es erlaubt uns, sich des Bedürfnisses des Verstandes nach Bewunderung und Lob bewusst zu werden.

Das neu gefundene Bewusstsein ist der erste Schritt, um uns die Macht zurückzugeben, die wir alle haben, um unser eigenes Glück zu kontrollieren! Wenn wir uns nicht mehr darauf verlassen, was andere uns sagen, was für ein Mensch wir sind, hört unsere Selbstbewertung auf, von äusseren Bedingungen abhängig zu sein.

Nehmen wir ein entgegengesetztes Beispiel, um dies weiter zu erhellen. Vielleicht bist du in einem Haus aufgewachsen, das dich so stark domestiziert/gezähmt hat, dass du glaubst, dass du nicht genügst. Vielleicht hattest du Eltern, die dich nicht unterstützt haben, oder Eltern, die versucht haben, dich davon abzubringen, deine Träume zu verfolgen. Wenn du dir dieser Domestizierung nicht bewusst bist, könnest du dich z.B. dafür entscheiden, dich nicht für deinen Traumjob zu bewerben oder nie versuchen, eine erfüllende Beziehung zu führen, oder du könntest jeden Versuch, die Dinge/das Leben, das du liebst, zu erschaffen, beiseite zu legen. Warum? Weil es diese unerbittliche Stimme gibt, die dir zuflüstert: „Du kannst es nicht tun. Du bist nicht gut genug. Versuche es gar nicht erst.“

Indem wir uns der internen Dialoge bewusst werden, die unseren Verstand verschmutzen – Zweifel, einschränkende Überzeugungen, Urteile und deren Ursprung – sind wir in der Lage, die Welt und uns selbst klarer zu sehen, aus einer anderen Perspektive, die nicht oder zumindest weniger durch den schweren Prozess der Domestizierung, den wir alle durchlebt haben, verdorben ist.

Mit Zeit, Geduld und Bewusstsein werden wir die Stimme unserer Domestizierung (die mit unserer eigenen Stimme spricht, aber nicht die unsere ist) erkennen und uns daran erinnern, dass wir die Kraft in uns haben, das Leben zu erschaffen, das uns lieb ist, das wir uns vorstellen – anstatt etwas zu befolgen, was uns gesagt wurde, dass wir es wollen.

Die Reise des Bewusstseins wird uns dazu bringen, subtile Gefühle und Energien zur Kenntnis zu nehmen, die wir vorher vielleicht nicht wahrgenommen haben. Es ist auch eine schöne Praxis im Umgang mit anderen Menschen. Wenn man bedenkt, dass jeder Mensch seine eigenen Entscheidungen trifft und jeder von uns diese Entscheidungen respektieren muss, während wir gleichzeitig das Bewusstsein haben müssen, das uns hilft, uns nicht von diesen Entscheidungen und/oder der Negativität, den Wahrnehmungen, Idealen, Urteilen und Ansichten anderer Menschen nach unten ziehen zu lassen.

Aber die wahre Gabe des Bewusstseins liegt nicht in den äusseren Kräften, denen wir früher oder später begegnen werden; Prozesse, die uns helfen werden, unseren Grad des Bewusstseins zu testen, unsere Fähigkeit, im Augenblick voll präsent zu bleiben. Es ist dies die wahre Gabe, die uns hilft, unsere eigene Negativität zu besiegen.

„Bewusstsein bedeutet, deine Freiheit wiederherzustellen, zu wählen, was du willst, anstatt das, was dir deine Vergangenheit aufdrängt.“    ~     Deepak Chopra

Wenn man ein Meister des Bewusstseins wird, zapft man eine Quelle der Macht an, die der menschliche Verstand nicht verstehen kann, weil sie jenseits davon liegt. Wachsendes Gewahrsein bringt uns in Übereinstimmung mit etwas viel Grösserem, dem vereinigten Kraftfeld des Lebens. Die Beherrschung des Gewahrseins ist ein erhöhter Zustand, in dem wir die Zügel des Verstandes übernehmen, anstatt zuzulassen, dass unser Verstand uns beherrscht. Und langsam, im Laufe der Zeit, mit jedem falschen Glauben oder jeder falschen Geschichte, die wir offenlegen, ungeschehen machen, zur Ruhe bringen, machen wir uns auf den Weg in die Freiheit, Schritt für Schritt, jeden Tag ein wenig mehr.

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