geschrieben von Gary Z McGee auf Waking Times, übersetzt von Antares
„Was gewollt ist, ist nicht der Wille zu glauben, sondern der Wille, es herauszufinden, was nunmehr das genaue Gegenteil dessen ist.“ ~ Bertrand Russell
In einer ausreichend langen Zeitspanne neigt die Plastizität des Gehirns – einschliesslich der Persönlichkeit und der Wahrnehmung – dazu, starr und festgefahren, konservativ und zufrieden, dogmatisch und unflexibel zu werden. Man muss gegen den Verfall der Plastizität ankämpfen, um sie aufrechtzuerhalten.
Die Aufrechterhaltung von Plastizität und Flexibilität im Denken erfordert Selbst-Gewahrsein, Selbst-Befragung und Selbst-Überwindung, um sie zu erreichen. Ohne all dies kommt das Gehirn ,seinen Verpflichtungen nicht mehr nach’ – einschliesslich leiden die eigene Persönlichkeit und die Wahrnehmung der Realität gravierend darunter – und treten unweigerlich in einen Zustand von Nicht-Plastizität, Starrheit, Unflexibilität, Engstirnigkeit und dogmatischem Denken ein.
Die Bildung unserer Meinungen wird zum Fundament der Nicht-Plastizität, wenn wir nicht achtsam genug sind. Das Ersetzen von „eine Meinung zu haben“ durch „eine Vorstellung zu haben“ kann eine gesunde Strategie sein, um das ,Gestein’ zu unterminieren, damit wir angesichts der drohenden Starrheit flexibel bleiben. Es ist ein Weg, uns selbst aus dem Weg zu gehen, um den Weg wieder klar zu sehen. Es ist ein Weg, das ,Grosse Bild’ zu sehen, trotz unserer eigentlichen Neigung zum ,Kleingedachten’. Wie der Philosoph Eric Weiner sagte: „Verschiebe die Definition dessen, was du siehst, und du wirst mehr sehen.“
Der Nachteil dessen, eine Meinung zu haben:
„Die grösste Täuschung, unter der die Menschen leiden, ist ihre eigene Meinung.“ ~ Leonardo da Vinci
Wenn du eine Meinung hast, bist du zu sehr damit beschäftigt, die kulturell vorgeschriebenen Konzepte des Alpha- / Beta-Songs und -Tanzes durchzuziehen, um überhaupt erkennen zu können, dass es eine bessere Art zu singen und zu tanzen gibt (= ,Going Meta’ ~ Meta werden / Meta gehen). Deine Meinung hält dich in einem kleinräumlichen Denken gefangen, was auf Kosten einer ganzheitlichen Sichtweise geht. Insbesondere, wenn deine Meinung nicht mit der Realität übereinstimmt und daher ungültig ist.
Eine Meinung ist irrelevant, wenn sie ungültig ist. Die Gültigkeit basiert auf einer Skala von gesund / ungesund, die von der Realität festgelegt wird, und nicht auf einer Skala von gut / schlecht, die durch menschliche Meinung diktiert wird. Um dies zu erkennen, muss man sich über den Glauben hinausbewegen. Dann wird es selbstverständlich, dass richtig und falsch auf gesund und ungesund basieren sollte, damit es eher als gültig und vernünftig angesehen wird.
Gültigkeit ist wichtig. Das Problem ist, der Mensch ist eine fehlbare Spezies. Wir sind für Fehler anfällig. Wir interpretieren oftmals die Realität falsch und bilden uns daher ungültige Meinungen. Was gültig ist und was nicht – wie auch all das, was gesund ist und was nicht – ist keine Frage der Meinung. Vielmehr wird es von der Realität diktiert, die kompromisslos ist mit ihren universellen Gesetzen. Es liegt allein in unserer Verantwortung, diese Gesetze zutreffend zu interpretieren. Das Problem ist, dass die meisten von uns mit ihren Interpretationen unverantwortlich umgehen und somit zu ungültigen Meinungen gelangen.
Es ist wahr, dass „Meinungen wie Ar…* sind, von denen jeder eins hat”. Doch das Ziel sollte sein, die eigene Meinung mit der Realität in Einklang zu bringen, um eine gültige Meinung zu haben. Dies erfordert Arbeit. Es erfordert Umsicht und Skepsis, insbesondere, bezüglich des eigenen Standpunktes. Denn wenn du nicht aufpasst, wird deine Meinung schnell zu einer Überzeugung. Und Überzeugungen lassen sich fast unmöglich ändern.
Gedanken andererseits sind möglich, zu verändern. Zumindest sind sie leichter zu ändern. Wenn du „denkst“, etwas könnte wahr sein, dann gibt es noch Raum für Irrtümer und Zweifel. Wenn du jedoch „glaubst“, etwas ist wahr, ist für Irrtum und Zweifel kein Raum mehr offen, da die Ansicht auf dem Glauben und nicht auf der Vernunft beruht. Der Glaube hat keinen Bedarf für Irrtum oder Zweifel, ja nicht einmal für Vernunft.
Somit erscheint es sinnvoller, sich in Nichtanhaftung zu üben; besser, eine Vorstellung statt einer Meinung zu kultivieren; besser, einen Sinn für Humor gegenüber Meinungen im Allgemeinen zu besitzen; am besten ist es, überhaupt keine ,Meinung zu haben’, sondern eine Flexibilität des Denkens zu bewahren statt eines starren Glaubens.
Der Vorteil dessen, eine Meinung zu haben:
„Der Zweifel ist unerlässlich. Er ist das Vehikel, das uns von einer Gewissheit zur anderen bringt.” ~ Eric Weiner
Wenn du ein Konzept / eine Vorstellung von etwas entwickelt hast, anstatt einer Meinung darüber, hast du einen intellektuellen Spielraum. Du „lässt dich selbst aussen vor“, wie man in der Pokerwelt sagt. Wo Meinungen eher ein „Anker“ sind, sind Begriffe eher ein „Aufhänger“. Sie sind ein Weg, um von diesem Gedanken zu jenem Gedanken zu gelangen. Wo Meinungen ein Ziel sind, sind Begriffe ein Mittel. Sie dienen mehr als Vehikel für das Denken als als Grundlage für den Glauben.
Noch wichtiger ist, eine Meinung neigt eher dazu, andere Meinungen abzulenken, während ein Begriff andere Begriffe anzieht. Das wird zu einer Art Gerüst für wachsendes Wissen. Die Trittsteine dessen werden zu einer Transzendenz über Meinungen und Vorstellungen. Dies ist das Ideal des ,Meta-Gehens’.
Meta-Gehen ist die bereits erwähnte ,bessere Art zu singen und zu tanzen’. Es ist das Sehen mit Über-Augen. Es ist das Anzapfen der Vogelperspektive. Es ist das intellektuelle Äquivalent des Astronauten-Übersichts-Effektes. Tatsächlich. Meta-Gehen bedeutet, den Überblickseffekt als tägliche Übung und Disziplin zu praktizieren.
Meta zu sein bedeutet, das ,Grosse Bild’ zu sehen. Es ist ein proaktiver Weg, um der Zeit voraus zu sein. Es erlaubt uns, die Vorstellungskraft neu zu erfinden. Es ist die Erleuchtung des dritten Auges. Es verbindet die Punkte, von denen die meisten Menschen nicht einmal wissen, dass es sie gibt. Wie Robert Greene sagte: „Im Land der Zweiäugigen gibt dir das dritte Auge die Allwissenheit eines Gottes. Du siehst weiter als andere, und du siehst tiefer.“
Meta-Gehen bedeutet, Begriffe mit den Gedanken und Gefühlen eines anderen Begriffs zu strukturieren. Wenn wir das tun, fügen wir der Erfahrung eine neue Qualität von Reichtum hinzu. Wir werden aus der Box des kleinräumlichen Denkens herausgeschossen. Wir haben keine andere Wahl als jene, das ,Grössere Bild’ zu sehen, und wir verwenden es, um unsere Begriffe zu strukturieren und zu scharfen Denkinstrumenten zu machen, statt zu stumpfen Glaubensinstrumenten.
Um Meta zu gehen. Zu transzendieren. Zu übertreffen, in den Schatten zu stellen, zu brillieren. Sich über die Grenzen zu erheben und über sie hinauszugehen. Ein Meta-Meister ist jemand mit der ungewöhnlichen Fähigkeit, alle Überzeugungen zu überwinden, zuzulassen, dass das, was keine Rolle spielt, wahrhaftig abgleitet, „einen Gedanken zu unterhalten, ohne ihn zu akzeptieren“, durch die Transzendenz aller Vorstellungen Meta zu gehen … über alle Meinungen .
Dies erschafft einen heiligen Raum, in dem das Miteinanderverbundensein aller Dinge Jegliches ins rechte Licht rückt. In diesem heiligen Raum werden Meinungen als das gesehen, was sie sind: Requisiten, Lückenbüsser, Krücken, Platzierungen. All das sind lediglich fehlbare Zutaten, die in die makelbehaftete Suppe des menschlichen Daseins gemischt werden. Die gesunde Antwort darauf ist die Vorstellung von einem guten Sinn für Humor. Die ungesunde Reaktion darauf ist die Meinung des Nihilismus (u.a. die Verneinung jedweden positiven (seltener auch des negativen) Ansatzes).
Meta zu gehen schränkt den Nihilismus ein, indem es uns die lebenswichtige Bedeutung von Gelassenheit und Humor lehrt. Es lehrt uns, darauf Acht zu geben, wie genau wir Achtsam sind, die Fähigkeit zur Neugierde zu kultivieren und für die Möglichkeit des Möglichen offen zu bleiben.
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