Von Kedar Nath auf paradigmshyft.com; übersetzt von Taygeta
Glaube und Überzeugung sind Begriffe, die oft als vergleichbar angesehen werden, aber nichts miteinander zu tun haben. Tatsächlich stehen sie in einem Gegensatz zueinander.
[Anm. d. Ü.: das im englischen Original verwendete Wort faith wird hier als ein Glaube verstanden, der mit tiefem Vertrauen verbunden ist, und das mit Überzeugung übersetzte Wort belief meint Überzeugung im Sinne einer Ansicht oder Glaubensmeinung]
Wir haben alle gehört, dass der Glaube Berge versetzen kann. Und das kann er tatsächlich. Durch den Glauben wird aus Schwäche Stärke, Vertrauen überwindet Angst, Laster können zu Tugenden werden und Krisen zu Chancen. Der Glaube ist die Kristallkugel, die das allem Negativen innewohnende Positive offenbart, wenn wir nur bereit sind hinzuschauen.
Glaube und Rationalität
Der Glaube ist jenseits der Rationalität, hinter der täuschenden Stimme des logischen Verstandes, der alles verifiziert haben muss. Er bleibt auch jenseits des Durstes des Herzens, der alles gefühlt haben möchte. Der Glaube gehört zum Glanz der Seele, die nichts verlangt und doch zu allem wird.
Rationales Verhalten und Glaube stehen in ihrer Essenz nicht im Widerspruch zueinander. Tatsächlich ist es ratsam, den blinden Glauben durch Verständnis und Unterscheidungsvermögen in einen weisen Glauben zu verwandeln. Ohne Glauben ist kein wahrer Fortschritt möglich. Wenn der Wind der Vernunft die Flamme unseres Glaubens zum Züngeln bringt, dann wird diese wiederum unser Feuer der Entschlossenheit zum Glimmen bringen. Wenn es zum Glauben ein Gegenteil gibt, dann ist dies der Zweifel. Zweifel ist das schreckliche Gefühl, das uns mit Unsicherheit erfüllt, mit dem wir nie etwas mangelfrei erreichen können. Exzellenz kann nur aus einem Samen des Glaubens hervorgehen. Der Glaube lässt uns durch das Zentrum unseres Seins in Festigkeit wurzeln, welche alle Unsicherheiten aus der Existenz verdrängen kann.
Der Glaube und das Unterbewusstsein
Der Glaube ist die höchste und grösste aller Emotionen, denn wenn wir uns in einem Zustand des Glaubens befinden, vermitteln wir unserem Unterbewusstsein im Wesentlichen, dass alles in Ordnung sein wird. Angst, Sorge und Zweifel, die drei tödlichsten Hindernisse für alle Formen des Wachstums werden in das mentale Feuer der Auflösung geschickt. Wir werden leer und frei von allen Gedanken und Vorurteilen und lassen so das Licht des Glaubens unser Wesen erfüllen und durch unseren Geist nachhallen. Wir öffnen unseren Geist für die Menschen und die Welt um uns herum, für neue Möglichkeiten und neue Wege, die für uns noch nie zuvor sichtbar waren.
Glaube und Überzeugung
Wir neigen dazu, Glauben mit Loyalität zu verwechseln. Loyalität zu einer bestimmten Lehre, einem bestimmten System oder einer bestimmten Religion. Treue zu vorgeschriebenen Idealen, die unser Leben systematisch steuern. Eine Treue, die eher zur Sphäre eines (religiösen) Glaubenssystems als zum Glauben gehört.
Glaubenssysteme binden uns an eine Sammlung von Idealen und Prinzipien; echter Glaube befreit uns von allen Idealen und Grenzen, auch von den mentalen Konstrukten, die wir so geschickt und doch so unbeabsichtigt für uns selbst geschaffen haben.
Der Glaube basiert auf dem Konzept des Wissens und Überzeugung auf der Erfahrung des Nichtwissens. Der eigentliche Kern des Glaubens liegt in dem Verständnis, dass wir ein kleines, fast bedeutungsloses Fragment des gesamten Kosmos darstellen, und letztendlich sind wir nur temporäre Charaktere im unaufhörlichen Film auf der kosmischen Leinwand.
Der echte Glaube gibt uns einen unerschütterlichen Fokus. Es kann uns dazu bringen, unglaubliche Dinge zu tun; er ist eine unverzichtbare Voraussetzung für die dringend benötigte innere Revolution.
Einige der grausamsten Handlungen in der Geschichte der Menschheit wurden im Namen der [den Menschen aufgestülpten] Glaubenssysteme begangen: den Religionen. Grosse Kriege, die den Lauf der Geschichte verändert haben, lassen sich auf einen Satz reduzieren: „Meine (religiöse) Überzeugung ist deiner Glaubensüberzeugung überlegen“. Kämpfe, die von wahnsinnigen Menschen geführt werden, von denen jeder denkt, dass er die einzige Version der ultimativen Wahrheit besitzt. Leider setzt sich dies bis heute fort.
Hingegen kann es keinen Konflikt zwischen Menschen geben, deren Glauben im höheren Selbst verankertet ist, denn die Grundlage eines Glaubens ist das Erkennen des Nichtwissens. Und niemand hat jemals einen Streit angefangen, weil er weniger wusste als ein anderer.
Überzeugungen führen zu Handlungen, sie haben mit unserem Agieren zu tun, und Glaube ist ein Zustand, es ist etwas, das wir werden. Der Glaube kann nicht kultiviert oder eingebracht werden; er kann nur sein.
Überzeugungen sind an Bedingungen geknüpft. Sie beruhen darauf, dass die Wahrheit das ist, was man sich von ihr wünscht, entweder durch die eigene Logik oder durch die Übertragung von vorgefassten Idealen anderer. Überzeugungen oder übernommene Glaubenssystem müssen zu unseren Prinzipien passen, oder unsere Prinzipien müssen zu dem Glaubenssystem passen. Sie fesseln sich wie mit einem Seil gegenseitig so eng, dass seine Spannung alle Möglichkeiten einer Erforschung aufhebt.
Der Glaube ist jedoch eine vorbehaltlose Öffnung des Geistes für die absolute Wahrheit, wie auch immer sie sich zeigen mag. Er enthält keine Färbung, keine Vermutungen. Im Wesentlichen ist der Glaube ein Ticket zur mysteriösen Kunsthalle des Universums, wo wir hoffen, einen Blick auf das Himmelskunstwerk werfen zu können. Ein Eintauchen in das Unbekannte, denn letztendlich weiss man, dass alles gut wird.
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